
Wie vor 100 Jahren: Winterhudes Backsteinviertel
Hier ist Winterhude noch so richtig ursprünglich. Fernab von Hektik und Kommerz lohnt sich ein Abstecher ins Backsteinviertel rund ums Magazin-Kino. Auf den Spuren von Fritz Schumacher.
Klar, den Winterhuder Marktplatz kennt fast jeder. Die schicken Jugendstilbauten Richtung Alster auch. Edle, wenn auch teure Restaurants gibt's im Stadtteil zuhauf. Aber das Herz des Stadtteils schlägt woanders. Und es schlägt langsamer. Zwischen Lattenkamp und Stadtpark gibt es ein Quartier, in dem es noch aussieht, wie vor 100 Jahren. In dem die einst von Arbeitern geschriebene Geschichte Winterhudes noch heute greifbar ist. Nicht so schick. Aber bodenständig und ehrlich. Herzlich willkommen im Backsteinviertel rund um das Filmkunsttheater Magazin.
Backstein, so weit das Auge reicht
Hierher zu gelangen, ist nicht schwer. Ein paar hundert Meter sind es nur vom Winterhuder Marktplatz. Von dort kommend entweder die Alsterdorfer hoch und dann rechts. Oder aber die Ohlsdorfer Straße hoch und den Braamkamp links rein. Dann wird es rot. Backstein, so weit das Auge reicht.
Die Stadt Hamburg kümmert sich mit Erhaltungssatzungen um dieses geschichtsträchtige Quartier, in dem sich Architekten in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ein Denkmal gesetzt haben. Vor allem aber der bekannteste von ihnen: hier beginnt Fritz Schumachers Winterhude. Was auf den ersten Blick nicht zu sehen ist: Jenseits der roten Fassaden schlummert eine grüne Idylle. Zwischen dem viel befahrenen Braamkamp, ein Teilstück des Ring 2, und dem Efeuweg etwa. Der riesige Innenhof ist liebevoll gestaltet und gepflegt. Während vorn die Laster vorbei donnern, ist hier kaum etwas vom Lärm der Stadt zu hören. Eine ältere Frau lehnt auf dem Sims. Sie erkennt unser Interesse. Wir kommen ins Gespräch. Sie bittet uns kurz rein.
Hier ist Winterhude noch wie ein Dorf
Willkommene Gelegenheit, einen Blick hinter die so typischen, von Holzstreben zerteilten Fenster am Efeuweg zu werfen. Im Inneren erwartet uns ein Fußboden aus alten Tropenhölzern. Die Räume sind hoch und hell. Auf einem Schrank eine Kuscheltiersammlung. Von der Küche geht der Blick hinaus ins Grün des Hinterhofs. Ein Rasenmäher dreht seine Runden. Unsere Gastgeberin wohnt schon ewig hier. "Ist ein bisschen wie ein Dorf", sagt sie.
Magazin: Vom Speisesaal zum Filmkunsttheater
Dann wollen wir weiter. Wenn auch nur wenige Meter. Einmal die Kehre überquert und schon stehen wir vor Torbögen mit dem Schriftzug eines Kinos. Den Machern des Magazin klingt das wohl zu profan. Filmkunsttheater nennen sie ihr Haus lieber. Wer mal drin war, der weiß: passt schon, dieser Anspruch. Einst vom Architekten Schumacher als Zuhause für Arbeiter und Rentner konzipiert, gibt's noch heute Wohnungen über dem Magazin, das als Programmkino weiter funktioniert. Hier sind auch mal Dokumentarfilme zu sehen, die kommerzielle Häuser nicht anbieten. Und Matineen. In einem Saal, den Fritz Schumacher einst als Speisesaal erdacht hatte.
Längst Legende: Oberbaudirektor Fritz Schumacher
Apropos Schumacher: In Hamburg ist der Architekt eine Legende. Als 1909 ins Amt gekommener Oberbaudirektor prägte der Mann die Stadt wie wohl kein Baumeister vor und nach ihm. Indem er den Backstein zum Renner auf den Baustellen machte. Er verwandelte Hamburg in eine rote Stadt. Dafür gibt es viele Belege. So gilt die Jarrestadt in Winterhude ebenfalls als typisches Schumacher-Viertel. Und was viele nicht wissen: Der Entwurf für die legendäre Davidwache auf dem Kiez stammt ebenfalls aus der Feder Fritz Schumachers.
Doch zurück nach Winterhude. Einmal über die Ohlsdorfer Straße und schon stehen wir im Stadtpark. Auch die riesige Grünanlage sähe anders aus ohne Schumacher. Denn er war es, der einst das Konzept für die Strukturierung der Parks vorlegte. Die Verbindung des Stadtparksees mit dem Goldbekkanal - seine Idee. Wir nehmen etwas Parkluft und schlendern dann durch den Baumkamp zurück. Dort endet das rote Winterhude, Stadtvillen und Jugendstil übernehmen. Auch alt. Immer noch ruhig. Viele Bäume. An der Alsterdorfer Straße ist Stau. Wir sind zurück in der Hektik. Im anderen Winterhude. Wo das Herz schneller schlägt.
Hamburgs alte Viertel
Nicht nur Winterhude hat diese wunderbar beschaulichen Ecken. Nicht weit entfernt haben wir uns für euch einmal die architektonischen Highlights in Wandsbek angeschaut. Und auch ein Ausflug in die Neustadt lohnt sich: Hier könnt ihr Hamburgs kreatives Gängeviertel kennenlernen. Viel Spaß beim Entdecken!