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Veddel
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Veddel

Warum heißt Veddel eigentlich Veddel?

Meike Neddermeyer
Meike Neddermeyer

Die kleine Elbinsel im Süden Hamburgs blickt auf eine turbulente Historie zurück. Woher der heutige Stadtteil Veddel seinen Namen hat und was ihn in der Vergangenheit bewegte, lest ihr hier.

Der Hamburger Stadtteil Veddel im Bezirk Hamburg-Mitte erstreckt sich über die Elbinseln Veddel, Peute sowie einen nördlichen Teil der Insel Wilhelmsburg. Was für einige unansehnlich wirken mag, hat für andere eine ganz eigene Romantik: Das Quartier ist heute geprägt von Backsteinbauten, Graffiti, Multikulturalität, Industrie – und natürlich viel, viel Wasser. Kein Wunder, denn der Inselstadtteil an den Elbbrücken beherbergt eine der Hauptverkehrsadern und mit Aurubis einen der größten Arbeitgeber der Stadt. Die Trennung erfolgt strikt: Auf der Kleinen Veddel wird gewohnt, die Große Veddel und Peute sind Gewerbegebiet.

Veddel: Vom Weideland zur Gartenstadt

Warum die Veddel nun Veddel heißt, ist unklar. Das Gebiet wurde lange als Weidefläche in der Milchwirtschaft genutzt. Deshalb ist zu vermuten, dass sich der Name des Stadtteils vom niederdeutschen Wort "Wede" ableitet, welches bewaldetes Weideland beschreibt. 1568 taucht der Name Veddel erstmals als Name der Elbinsel auf. Seit 1768 gehört Veddel zu Hamburg. Erst über 100 Jahre später wurde der Stadtteil Veddel besiedelt: 1878 errichtete eine gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft die Slomansiedlung, Hamburgs erste Arbeitersiedlung in Form einer Gartenstadt. 1887 folgte eine feste Straßenverbindung in die Innenstadt: die Elbbrücken.

Ein Quartier im stetigen Wandel

Die Einzelhäuser der Gartenstadt wurden zugunsten der heutigen Backsteinbauten von Fritz Schumacher 1928 abgerissen. Die Cafés und Bars, die sich in den 1930er-Jahren ansiedelten, brachten der Veddel den Spitznamen "Klein St. Pauli" ein. Im Zweiten Weltkrieg wurden der nördliche Teil der Veddel und Bebauungen im Stile der Gründerzeit zerstört. Die Reste wichen dem Zollamt. Weitere historische Gebäude fielen der Sturmflut von 1962 zum Opfer. Mit dem Ballsaal verschwand 2008 auf Veranlassung der Hamburg Port Authority (HPA) das letzte Relikt aus dem Bild des Stadtteils. Kurios: Seit 1929 gehört ein Teil der Veddel zu Tschechien! Durch den Versailler Vertrag ist eine kleine Halbinsel zwischen Peutekanal und Peutehafen für 99 Jahre in tschechischen Besitz verpachtet.

BallinStadt – schöne neue Welt

Wer von Hamburg nach Amerika reisen wollte, ging auf der Veddel an Bord. Im Zuge der Auswanderungen entstand ab 1901 auf 55.000 Quadratmetern die BallinStadt: Wohn- und Schlafpavillions, Speisehallen sowie sanitäre und religiöse Einrichtungen, benannt nach Initiator Albert Ballin. In diesen Auswandererhallen mussten sich Passagiere einer Quarantäne unterziehen, bevor sie die Schiffe betreten durften, um Krankheiten an Bord zu vermeiden. Damit wurde die Anlage zu einem Vorbild in puncto Sauberkeit und Effektivität. Keine der Hallen hat bis heute überlebt – an ihrer Stelle befindet sich seit 2007 das Auswanderermuseum BallinStadt.

Dessauer Ufer: Ein Gedenkort

Eine wichtige Rolle in der Stadtteilgeschichte spielt das Lagerhaus G am Dessauer Ufer, welches heute zum Kleinen Grasbrook gehört. Dieses fungierte einst als KZ-Außenlager Hamburg-Veddel, in dem von 1944 bis 1945 zunächst 1.500 weibliche und später 2.000 männliche Häftlinge untergebracht waren. Diese mussten Bau- und Aufräumarbeiten in den Hafenbetrieben, den Wasserwerken und bei der Reichsbahn verrichten. Als Zeitzeuge steht das Gebäude seit 1998 unter Denkmalschutz.

Es tut sich was im Stadtteil

Auch wenn sich das Viertel noch immer nicht ganz erholt hat und ihm seine Geschichte anhaftet: Veddel hat kulturell aufgeholt. Am Veddeler Stieg gibt es den Brunnen der Künstlerin Doris Waschk-Balz zu bestaunen. In der kultigen Veddeler Fischgaststätte gibt es seit 1932 laut Hörensagen den besten Backfisch der Stadt. 2007 startete die IBA mit dem "Sprung über die Elbe" zudem eine aktive Stadtteilaufwertung. Die Poliklinik versorgt die Anwohner medizinisch, ist gleichzeitig aber auch Treffpunkt und Kulturzentrum. Künstler wie Uli Pforr oder Moritz Stetter haben sich angesiedelt. In der Immanuelkirche und dem dazugehörigen Café Nova gibt es Kinoabende, Treffpunkte, gemeinsames Essen und Kulturprogramm – kostenlos oder auf Spendenbasis, denn alle sollen teilhaben können. Im Sommer finden zahlreiche Festivals und Open Airs statt.

Die Veddel ist rau, aber herzlich

Auf den nur fünf Quadratkilometern zwischen Autobahn und Bahngleisen ist der Charakter bis heute dörflich, die Nachbarschaft kennt sich. Der einstig verrufene Arbeiterstadtteil erfreut sich vor allem bei jungen Hamburgern immer größerer Beliebtheit. Einige Gründe: die Nähe zum Zentrum und der Wilhelmsburger Elbdeich, auf dem man abseits vom Trubel der Stadt einen herrlichen Blick über den Hafen genießen kann. Außerdem bietet die Insel mit ihren vielen Brücken, Bahngleisen und weitläufigen Ausblicken die perfekten Kulissen für alle Instagrammer unter euch!

Veddel in Zahlen

Einwohner: 4.632, davon 45,3 Prozent weiblich und 54,7 Prozent männlich (Hamburger Durchschnitt: 50,8/49,2 Prozent)
Kulturelle Vielfalt: 99 Nationalitäten (Stand 2019)
Durchschnittsalter: 35 Jahre (Hamburger Durchschnitt: 42,1 Jahre)
Einpersonenhaushalte: 56,7 Prozent (Hamburger Durchschnitt: 54,4 Prozent)
Haushalte mit Kindern: 2,0 Prozent (Hamburger Durchschnitt: 17,8 Prozent)
Arbeitslosenquote: 8,6 Prozent (Hamburger Durchschnitt: 4,8 Prozent)
Durchschnittseinkommen pro Jahr (Stand 2013): 15.831 Euro (Hamburger Durchschnitt: 39.054 Euro) Wenn nicht anders gekennzeichnet: Stand 31.12.2018

Wissenswertes entlang der Elbe

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Unsere Texte, Tipps und Empfehlungen richten sich an alle, die sich für Hamburg interessieren. Deshalb bemühen wir uns um genderneutrale Formulierungen. Nutzen wir die männliche Form, dient dies allein dem Lesefluss. Wir denken aber stets Menschen aller Geschlechter mit.