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Jakob Boerner
Altona

Bunt, kreativ und solidarisch: Die Viktoria-Kaserne in Altona

Sophia Herzog
Sophia Herzog

Bunter, kreativer und solidarischer arbeiten als in der Viktoria-Kaserne geht fast nicht. Die hier ansässige "fux eg" ist genossenschaftlich organisiert – und garantiert so bezahlbare Mieten.

An der Ecke Bodenstadtstraße und Zeiseweg ragt roter Backstein in Richtung des grauen Hamburger Herbsthimmels. Die Viktoria-Kaserne hält hier seit ihrer Fertigstellung in den 1880er-Jahren die Stellung – ihr hohes Alter ist der Kaserne aber im Großteil der vielen Gänge und Räume nicht immer anzusehen. Das Gebäude, das in seiner Vergangenheit die königlich-preußische Infanterie, die Altonaer Polizei, die Gestapo, den Zoll und schließlich Teile der Universität Hamburg beherbergte, ist heute das Zuhause der fux Genossenschaft. Deren rund 250 Mitglieder arbeiten in den alten Räumen, organisieren Kulturveranstaltungen und Ausstellungen und verwalten das Gebäude selbst.

Viktoria-Kaserne: Arbeiten im Genossenschaftsprinzip

Wer hier durch die Gänge schlendert, der findet in den alten Hallen unter anderem: Künstlerateliers, Design-Studios, Druckwerkstätten, ein Kino, Ausstellungs- und Veranstaltungsräume, den Chaos Computer Club, Fotografen, Modedesigner, Musiker, einen Friseur, eine Food-Coop, einen Umsonstladen, ein Weiterbildungszentrum und nicht zuletzt die Cantina fux & ganz. Der bunte Zusammenschluss von Künstlern, Kreativen und Gewerbetreibenden hat einen Ort geschaffen, an dem Menschen für stabile Mietpreise arbeiten können, ohne fürchten zu müssen, an den Stadtrand gedrängt zu werden. Und das solidarisch, kreativ und genossenschaftlich.

Streit um altes Frappant-Gebäude

Der Weg dorthin war allerdings ganz schön steinig. 2009 kaufte Ikea den damals noch nicht abgerissenen Frappant-Komplex in der Großen Bergstraße, der zu dieser Zeit von den Künstlern des Vereins Frappant e. V. genutzt wurde. Nach langem Protest und Verhandlungen mit der Stadt konnte der Verein im März 2010 übergangsweise in die Viktoria-Kaserne ziehen. Als die Stadt dem Verein im nächsten Jahr die Möglichkeit gab, das Gebäude zu kaufen, erarbeitete Frappant zusammen mit der Initiative Lux & Konsorten, die sich ebenfalls im Protest rund um das Ikea-Gebäude geformt hatte, ein Übernahmekonzept. 2013 gründeten die beiden Gruppen die Genossenschaft fux, 2015 unterzeichneten sie schließlich den Kaufvertrag.

Kauf der Kaserne: Faire Mieten für alle Mitglieder

"Das hat wahnsinnig viel Energie und eine große Portion Eigenengagement der Genossenschaftsmitglieder gebraucht", erinnert sich Tanja Schwichtenberg heute. Sie engagiert sich in der Öffentlichkeitsarbeit der fux eg. Der Kauf der Kaserne kostete die Genossenschaft rund 1,8 Millionen Euro. Diese mussten damals durch Spenden und den Verkauf von Genossenschaftsanteilen wieder eingeholt werden. Gelohnt hat es sich: "Es war uns wichtig, ein Haus zu haben, das nicht mehr Teil des Spekulationsmarkts ist", erklärt Tanja. Das Genossenschaftsmodell kann so stabile und faire Mietpreise garantieren. Wer einziehen will, muss Genossenschaftsanteile kaufen – mindestens sechs Stück für je 500 Euro. Dafür liegt die Netto-Kaltmiete pro Quadratmeter nur bei rund 5 Euro.

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Alle für alle: Die Mieter der fux eg helfen sich gegenseitig

Dass sich die 250 Mieter genossenschaftlich organisiert haben, gibt jedem Mitglied außerdem die Möglichkeit, sich einzubringen. Neben dem gewählten Vorstand und Aufsichtsrat verwalten sich auch einzelne Etagengemeinschaften ein Stück weit selbst. "Einzelne Flurabschnitte, zum Beispiel hinter einer Feuerschutztür, sind bei uns sogenannte Quartiere", erklärt Tanja. "So ähnlich wie in einer WG." In den Quartieren besprechen die Mieter unter anderem Putzpläne oder andere Organisationsfragen. Zusätzlich können sich Genossen in Arbeitsgruppen einbringen – zum Beispiel in der Akquise-AG oder der Öffentlichkeits-AG, in der auch Tanja ist. Das Engagement und der Zusammenhalt der Genossenschaftsmitglieder ist in der Viktoria-Kaserne deutlich zu spüren – und zu sehen. Die Möbel von Gemeinschaftsküchen hat die ansässige Tischlerei gefertigt, die Sessel des Friseurs stammen vom Polsterer im Haus. "Diese Beispiele zeigen ganz gut, welche Symbiose hier zwischen den Mietern entstanden ist."

Infos: Viktoria Kaserne und fux Genossenschaft, Zeiseweg 9, 22765 Hamburg

Alternative Orte für Kultur in Hamburg

Das Recht auf Freiräume in der Stadt ist in Hamburg immer Thema – ein Verein, der neben der Viktoria-Kaserne für diesen Konflikt steht wie kein anderer, ist das Gängeviertel in der Neustadt. Auch hier finden immer wieder Kunst, Kultur und Nachtleben ihren wohlverdienten Platz.

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