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picture alliance / R. Goldmann
Eimsbüttel

Utopie oder Zukunft: Könnte der HVV bald kostenlos sein?

Alexander Kraft
Alexander Kraft

Die Bundesregierung denkt über eine Novellierung des öffentlichen Nahverkehrs nach. Das klassische Bezahlmodell könnte einer kostenfreien Fahrt mit Bus und Bahn weichen. Der HVV hat schon mal nachgerechnet.

Ärger aus Brüssel hat die Bundesregierung dazu veranlasst, das Nahverkehrssystem zu überdenken. Aufgrund anhaltender Luftverschmutzung in deutschen Großstädten spielt sie mit dem Gedanken, den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) für alle kostenlos anzubieten. Weg vom Ticket- und Abo-Modell hin zum "Frei für alle"-Tarif mit dem Ziel die zu hohe Belastung der Luft durch Feinstaub und Stickoxide rasch zu reduzieren.

So teuer wie die Elphi

Der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) hat den Denkanstoß für die Hansestadt bereits durchgerechnet. Unterm Strich bleibt: ein dickes Minus von 830 Millionen Eurojährlich. So viel nimmt der HVV jedes Jahr allein durch den Fahrscheinverkauf ein – mehr als die Elphi in ihrer knapp zehnjährigen Bauphase gekostet hat. Und: So richtig kostenlos wäre die Nutzung dann doch nicht. Die fehlenden Einnahmen müssten anderweitig ausgeglichen werden – am Ende voraussichtlich über die Steuerzahler. Aktuell bewegt der HVV jährlich über 770 Millionen Passagiere zwischen ihren Destinationen hin und her. Es dürften jedoch erheblich mehr werden, wenn Bus und Bahn nichts mehr kosten. Es sind also nicht nur mehr Menschen mit den Fahrzeugen unterwegs, die Zahl der notwendigen Vehikel müsste logischerweise auch steigen. Aus dem Stegreif wäre das nicht zu realisieren. In Hamburg ist die U5 zwar bereits in Planung, vor 2021 tut sich bei den Bauarbeiten aber erstmal nichts. Das Mehr an Zügen, Waggons und Bussen wartet natürlich auch nicht längst fertiggestellt in Hallen, sondern müsste zunächst in Auftrag gegeben und anschließend gebaut werden – verbunden mit weiteren Kosten. Plus das zusätzliche Personal, das die Fahrzeuge lenkt, wartet und reinigt.

Wien als Alternativ-Modell

Darüber hinaus wäre eine Umstellung des ÖPNV auch eher eine langfristige Lösung für eine Verbesserung der Luftreinheit. Denn fraglich bleibt, ob tatsächlich alle Autofahrer zugunsten der Umwelt auf ihre Unabhängigkeit verzichten würden. Der Verkehrsclub Deutschland schlägt deshalb vor, Anreize zu schaffen, um den Nahverkehr attraktiver zu machen. In Wien sind "alle öffentlichen Parkplätze im wertvollen Straßenraum bewirtschaftet und die Erlöse zur Förderung des Fuß-, Rad- und Nahverkehrs verwendet werden." Mit dem Ergebnis, dass der ÖPNV mittlerweile 40 Prozent des gesamten Verkehrsaufkommens ausmacht, der des Autoverkehrs hingegen nur noch ein Viertel. Statt den Nahverkehr auf ein "Kostenlos"-Modell umzustellen, wäre deshalb vielleicht ein Mittelweg die Alternative: In Wien zum Beispiel kostet das Jahresticket 365 Euro – also bloß einen Euro pro Tag.

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