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Hamburg

Schließfach-Gespräch: Was bedeutet die Altonale für den Stadtteil?

Sophia Herzog
Sophia Herzog

In unserer Reihe "Schließfach-Gespräch" stellen wir euch Menschen vor, die in Ottensen leben, arbeiten oder wirken - ein direkter Blick in die Nachbarschaft also. Für dieses Gespräch haben wir Monika Baum, die Leiterin der "kunst altonale" getroffen.

Um sichtbar zu machen, wie gut die Nachbarschaft und die Vernetzung im Viertel ist, verknüpfen wir die Menschen miteinander, indem das Gespräch mit einer netten Geste weitergegeben wird. Das letzte Mal gab Michael Wendt, der Geschäftsführer der Motte, das Gespräch an Monika Baum weiter. Getroffen haben wir die Leiterin der "kunst altonale" in der Haspa-Filiale am Spritzenplatz. Ein Gespräch über die Macht der Kunst und die Notwendigkeit von besserem Austausch.

Liebe Monika, Michael Wendt, Geschäftsführer der Motte, hat dir ein Glas Honig im Schließfach hinterlassen. Was verbindet dich mit der Motte?

Die Motte ist ein langjähriger Kooperationspartner der "kunst altonale". Wir sind den dortigen Akteuren sehr verbunden und haben viele Impulse bekommen. Michael Wendt ist einer der Gründungsväter der Altonale, die es inzwischen seit 20 Jahren gibt. Insofern ist die Verbindung schon lange da. Zu mir persönlich gibt es die seit 2005, als ich angefangen habe, den Kunstmarkt der Altonale neu aufzubauen. Ich wurde damals von meiner Vorgängerin Krischa Weber gefragt, ob ich das machen kann. 2010 habe ich dann die Leitung der "kunst altonale" übernommen.

Was ist deine Aufgabe als Leiterin der "kunst altonale"?

Ich kuratiere das Kunstprogramm. Jedes Jahr haben wir ein Leitthema in der Altonale, in diesem Jahr ist es "Grenzen". Hierzu suche ich dann die passenden Projekte aus.

Was umfasst die "kunst altonale"?

Die "kunst altonale" hat unterschiedliche Formate. Wir zeigen Kunst an ungewöhnlichen, aber auch alltäglichen Orten. Ein Hauptformat ist "Kunst im Schaufenster". Künstler präsentieren während der Altonale ihre aktuellen Arbeiten in den Schaufenstern von Ottensen und der Altonaer Altstadt und bewerben sich damit um den Altonale Kunstpreis. Der Preis wird von der Hamburger Kulturbehörde gestiftet und beträgt dieses Jahr zum Jubiläum 2.500 Euro. Erstmalig wird auch ein zweiter und dritter Platz ausgelobt. Wir wünschen uns, dass wir das in den nächsten Jahren auch so machen können.

Ein Spagat zwischen lokal und international

Kunst ist ein großer Bestandteil der Altonale, es gibt aber viele Menschen, die keinen Zugang zur Kunst finden. Was kann Kunst für diese Menschen bewirken?

Was ich an der Altonale ganz besonders schön finde, ist, dass man der bildenden Kunst dabei auch niedrigschwellig begegnen kann: In den Schaufenstern, beim Einkaufen, da treffen die Leute oft ganz zufällig auf Kunst. Man ärgert sich vielleicht darüber, oder man freut sich, und manchmal kommt man dabei mit anderen Menschen in Kontakt. Und das ist ein wichtiger Moment! Für das Publikum bieten wir deswegen ein Kunstvermittlungsprogramm an: Bei den "Art Bikes" radeln wir gemeinsam zu unterschiedlichen Kunstorten und bringen alle ein bisschen miteinander in Kontakt.

Wie wirkt die "kunst altonale" und die Altonale allgemein in den Stadtteil?

Wir versuchen ganz viele Leute hier miteinander zu vernetzen, die unterschiedlichen Akteure des Stadtteils zusammenzubringen. Und wir versuchen auch alle Anwohner, Einzelhändler und Akteure ins Boot zu holen, um ein Festival auf die Beine zu stellen, das von unten kommt: Wir entscheiden nicht alles von oben, sondern möchten gemeinsam mit allen, die Lust haben sich zu beteiligen, und die Ideen haben, etwas auf die Beine stellen. Das ist schon etwas sehr Besonderes.

Wird das gut angenommen?

Das wird sehr gut angenommen! Viele Projektvorschläge kommen von den Anwohner*innen. Wir machen 17 Tage lang Kunst und Kultur im Bezirk mit und für die Anwohner, aber auch für Gäste von außerhalb. Das Festival schauen sich jedes Jahr über 500.000 Besucher an. Darunter übrigens auch viele internationale Gäste: Wir machen einen Spagat zwischen lokal und international.

Alle sollten den Wandel Ottensens mitgestalten

Was wünschst du dir für den Stadtteil?

Der Spritzenplatz soll ja neu bebaut werden. Da wünsche ich mir eine gelungene ästhetische und sensible Bebauung, die nicht Licht und Luft wegnimmt. In Ottensen gibt es ja kaum noch freie Flächen. Ich glaube, das hat bald einen Punkt erreicht, an dem es kippt und unangenehm wird. Der dörfliche Charakter, den wir alle so mögen, droht, zerstört zu werden. Stadtteile verändern sich, gehen unter, kommen wieder hoch, erfinden sich neu. Allerdings sind die Mieten hier in Ottensen nicht mehr bezahlbar. Viele Alteingesessene werden verdrängt. Mit den steigenden Mieten kommen andere Leute, und das wirkt sich wiederum auf den Einzelhandel aus. Ich fände es toll, wenn wir uns alle an einen Tisch setzen könnten, um herauszufinden, wie wir das Viertel voranbringen und dabei dessen Vielfalt erhalten können.

Hast du eine Idee, wie das funktionieren könnte?

Ich glaube, man muss das ganze Thema interdisziplinär betrachten. Es ist nicht jede Veränderung böse, es muss eine Entwicklung nach vorn geben, aber die muss gesteuert werden. Wir bräuchten dafür einen runden Tisch, an dem alle Akteure, die an den Prozessen beteiligt sind, zusammenkommen: Wirtschaft, Kultur und Politik. Vielleicht gäbe es zukünftig die Möglichkeit, eine Stelle zu schaffen, die auf alle gleichzeitig guckt. Manchmal weiß die eine Hand nicht, was die andere macht.

Du hast eine Altonale-Überraschungstüte mitgebracht. An wen gibst du sie weiter?

Ich fand schon als Kind diese Wundertüten toll, die eine Überraschung versprachen und etwas Magisches hatten. Diese Faszination ist geblieben (lacht). Ich gebe die Tüte weiter an Simon Oetter von der Victoria-Apotheke in der Bahrenfelder Straße, stellvertretend für alle Einzelhändler*innen und Geschäftsinhaber*innen, die ihr Schaufenster jedes Jahr für den Altonale Wettbewerb "Kunst im Schaufenster" zur Verfügung stellen. Ein großes Dankeschön dafür! Simon Oetter ist sehr offen und der Kunst wertschätzend zugewandt, das ist großartig!