
Grauzonen: Cornern – nervig oder unterhaltsam?
Macht euch bereit für unser Pro-Contra-Format "Grauzonen". Hier stellen wir kontroverse Ansichten zu Dingen, die die Stadt bewegen, gegenüber. Dieses Mal diskutieren wir übers Cornern.
"Ja klar, äh nein, ich mein JEIN!" Ähnlich wie die Jungs von Fettes Brot sind wir innerhalb der Redaktion manchmal ein wenig verwirrt. Oder besser gesagt: unterschiedlicher Meinung. Damit die kontroversen Ansichten nicht gleich zu unbarmherzigen Streitereien führen, lassen wir unseren Frust nicht aneinander aus, sondern tippen unsere Meinung einfach mit Nachdruck in die Tastatur. Macht euch bereit für unser Pro-Contra-Format "Grauzonen". Hier stellen wir unsere Ansichten zu umstrittenen Themen sachlich gegenüber – und nicht handgreiflich werden, bitte! Dieses Mal: Svea und Rany diskutieren übers Cornern.
Rany: Lieber Korn als Cornern
Ich hab ja nichts gegen Cornern, aber … Normalerweise verabscheue ich diese Art von Satzbau, in dem Zusammenhang bringt er meinen inneren Zwiespalt aber ganz gut auf den Punkt. Auch ich hatte schon richtig gute Abende vor der Tabakbörse auf St. Pauli, die ohne Erwartungen begannen und dann angeheitert-fröhlich und ausschweifend endeten. Die sind allerdings schon eine Pandemielänge her (und ich werde ja nicht jünger …).
Ich möchte gar nicht bestreiten, dass Corner-Abende oft legendäre, lustige oder unerwartete Wendungen nehmen. Im Falle der Menschen, die rund um die Corner-Hotspots von Hamburg wohnen, halten sie jedoch mehr böse Überraschungen bereit: Scherben, Pisse und Krawall. Ich könnte nun argumentieren, dass die Anwohnenden eigentlich wissen sollten, worauf sie sich einlassen, wenn sie mitten nach St. Pauli oder nach Ottensen an den Alma-Wartenberg-Platz ziehen, fair enough. Was ich aber wirklich nicht verstehe – schon vor Corona nicht und seit Pandemiebeginn noch viel weniger: Was ist so reizvoll daran, sich jedes verdammte Wochenende an einer überfüllten und lauten Straßenecke zu treffen, um wie die Bordsteinhühner auf der Stange dicht gedrängt auf dem Gehweg zu sitzen, während Radfahrer, Autos oder Busse um einen rum manövrieren müssen?! Ich checks echt nicht!
Viel lieber treffe ich mich doch mit meinen Freunden auf ein entspanntes Bier im Park, wo wir Platz und Ruhe haben. Der große Vorteil daran: Weder sind wir genervt noch gehen wir anderen auf die Nerven – alle sind happy. Warum also zieht es manche Menschen zum Cornern immer wieder an die gleichen überlaufenen Plätze wie die Motten zum Licht? Ich kann es mir nur damit erklären, dass es dabei vor allem ums Sehen und Gesehen werden geht. Im Park sind die Chancen natürlich deutlich geringer, neue Leute kennenzulernen und das schicke Outfit kommt dort auch eher weniger zur Geltung. Laufsteg-Level null sozusagen.
Vielleicht würde es was bringen, den Treffen im Park analog zum Cornern einen lässigen pseudo-anglizistischen Namen zu verpassen, so im Sinne von: Make Parklife Great Again. Doch leider klingt "Parkern" nicht mal annähernd so cool wie "Cornern". Na ja, und "Recreationing" ist ziemlich sperrig.
Bleibt also nur zu hoffen, dass die Straßenbelagernden von selbst zur Besinnung kommen, zumal Alkoholverbote und Polizeiaufgebot das Cornern aktuell eh erschweren. Wenn sie schon keine Parksitzer sind, dann vielleicht wenigstens Bargänger. Und momentan ist es ohnehin ziemlich unterstützenswert, sein Geld im Stammlokal oder der Kneipe ums Eck zu lassen. Und dort gibts dann einen Korn statt Cornern.
Svea: Eckbleibe statt Eckkneipe
Ein Bierchen an der Ecke hat noch niemandem geschadet. Ich finde, dieser Satz enthält bereits die ganze Wahrheit und alles, was ich zum Begriff "Cornern" sagen muss. Man stelle sich nur einmal vor: Ein kühles Bierchen für gerade einmal zwei Euro – und das ist schon dekadent – prickelt auf der Lippe, die Sonne strahlt einem noch bis spät abends ins Gesicht und man steht zwischen anderen Trinkwütigen, die in diesem Moment unter Gleichgesinnten genauso sehr genießen. An diesem Szenario ist doch nun wirklich nicht so viel falsch, oder?
Zugegeben, der Begriff "Cornern" ist nicht sonderlich positiv besetzt. Ich sehe die Sache aber doch eher ein wenig entspannter: Sich das Lieblingsbier auf der Bordsteinkante zu gönnen, an der frischen Luft und nicht in einer verrauchten, dunklen Kneipe – das ist doch nun wirklich kein Verbrechen. Außerdem lassen es sich inmitten der Cornernden (ja, für mich durchaus ein Duden-würdiger Begriff) auch ganz wunderbar ein paar neue Freundschaften schließen. Die meisten werden unter den gegebenen Umständen ja hin und wieder doch etwas kommunikativer ...
Außerdem funktioniert dieses Cornern auch so schön einfach: Einfach ein gemütliches Plätzchen vor dem kleinen Laden an der Ecke oder dem Kiosk suchen, sich dort ein gut gekühltes Getränk holen, ganz in Ruhe den Blick umher schweifen lassen und dem Nachbarn in Stehhaltung verständnisvoll zuprosten. Tja, und das nervt die Autofahrer, deren Weg die Sitzplätze der Cornernden streifen? Pah, da kann ich ehrlich gesagt nur müde lächeln.
Ist jetzt nicht so, als müssten die Anwohner alle nur unseretwegen umparken. Und sollte das doch einmal der Fall sein, können sie sich gerne ein Bierchen schnappen und sich dazugesellen. Das erste geht auch aufs Haus – beziehungsweise auf die Bordsteinkante!
Unsere Texte, Tipps und Empfehlungen richten sich an alle, die sich für Hamburg interessieren. Deshalb bemühen wir uns um genderneutrale Formulierungen. Nutzen wir die männliche Form, dient dies allein dem Lesefluss. Wir denken aber stets Menschen aller Geschlechter mit.