
Schließfachgespräch: Simon Oetter, der Apotheker vom Spritzenplatz
In unserer Reihe "Menschen vo(r)m Fach" stellen wir euch Menschen vor, die in Ottensen leben, arbeiten oder wirken - ein direkter Blick in die Nachbarschaft also. Für dieses Gespräch haben wir mit Simon Oetter, dem Inhaber der Victoria Apotheke gesprochen.
Um sichtbar zu machen, wie gut die Nachbarschaft und die Vernetzung im Viertel ist, verknüpfen wir die Menschen miteinander, indem das Gespräch mit einer netten Geste weitergegeben wird. In unserem letzten Gespräch hat Monika Bau, die Leiterin der kunst altonale, eine kleine Wundertüte in unserem kiekmo-Schließfach hinterlassen. Ausgepackt hat sie Simon Oetter, der seit fünf Jahren Inhaber der Victoria Apotheke am Spritzenplatz ist. Er erzählt, warum er in seinem Schaufenster keine Werbung macht, und warum sich Ottensen für ihn anfühlt, wie eine große Familie. Lieber Simon, Monika Baum hat das Gespräch an dich weitergegeben. Was verbindet euch beide? Uns verbindet vor allem das Interesse an der Kunst im Viertel. Ich stelle gerne mein Schaufenster für die Kunst zur Verfügung, auch bei der altonale. Wir sind beide sehr offen für jede Art der Kunst, das verbindet uns besonders. Wir hatten in der Apotheke schon die verrücktesten Sachen. Einmal tauchte ein Künstler gar nicht auf. Als wir ihn dann anriefen, sagte er, das leere Schaufenster sei eben die Kunst. Aber wir sind bei sowas immer ganz entspannt.

Warum stellst du dein Schaufenster zur Verfügung? Fehlt dir Platz für Kunst in Ottensen?Mir fehlt auf jeden Fall Platz für spontane und unkommerzielle Kunst. Hier gibt es ja genug Galerien, die sich natürlich einer gewissen Nachfrage anpassen müssen, um ihre Miete zu bezahlen. Aber dass man einfach mal machen kann, an einem öffentlichen Ort – das fehlt mir. Und deswegen mache ich in meinem Schaufenster auch keine Werbung. Ich bin komplett gegen Werbung, aber Verbindungen und Vernetzungen zu schaffen mit der Nachbarschaft, das ist mir wichtig. Und das können wir in unseren Schaufenstern eben gut mit Kunst. Welche Verbindungen mit der Nachbarschaft hast du bereits geschaffen?Im Schaufenster stellen wir Künstler aus dem Viertel aus, die immer wieder kommen. Ich konnte manche Künstler zum Beispiel auch schon an meine Steuerberaterin weiterleiten, die die Beratung für sie sogar teilweise kostenlos übernommen hat. Außerdem haben wir eine Moschee gleich gegenüber der Apotheke, mit der wir sehr gute Kontakte pflegen. Dort beteilige ich mich am Gebetskalender. Auf der anderen Seite biete ich Arzneimittel ohne Gelatine und Alkohol an. Wer darauf verzichten möchte, aus religiösen oder anderen Gründen, kann dafür dann zu uns kommen. Gesundheit spielt in viele Bereiche mit rein, in Religion, Kunst, aber zum Beispiel auch in den Sport. Wir haben für einen Fahrradladen in der Nähe zwar keine Werbung gemacht, aber Fahrräder kreuz und quer im Schaufenster aufgehängt, und so darauf verwiesen. Das ist nicht unbedingt Werbung, aber regt zum Denken an. Warum ist dir die Vernetzung im Viertel so wichtig?Es macht vieles, vor allem aber die Kommunikation leichter. Es ist immer besser, mit den Leuten zu sprechen, anstatt sich zu zanken. Man muss mit den Menschen eine Gemeinsamkeit schaffen. Dann entsteht im Viertel eine große Familie.
Ottensen ist bunt
Als Apotheker hast du jeden Tag mit den Menschen in Ottensen zu tun. Welchen Leuten begegnest du?Als Apotheker hat man ja keine Zielgruppe, jeder muss ab und zu mal Medikamente kaufen. Hier kommt also ein ganzer Querschnitt der Einwohner vorbei. Wir versorgen die Drogenabhängigen, die jungen Mütter und ihre Kinder, die Künstler, die Start-Up-Gründer, die Nachbarläden und die Alteingesessenen. Das macht Ottensen ja auch aus. Dass hier alles dabei ist, jung, alt, verrückt oder spießig. Die Ottenser lassen sich nicht in eine Schublade einordnen. Hat dich das besonders gereizt, als du vor fünf Jahren die Möglichkeit hattest, die Apotheke zu kaufen?Ja, auf jeden Fall. Ich liebe das Gewusel des Stadtteils. Das Cornern am Alma-Wartenberg-Platz, die vollen Bars, die vielen kleinen Läden, die oft noch alte Familienunternehmen sind. Das schafft wieder eine Art Heimatgefühl. Wenn sich die Menschen auf der Straße treffen, entsteht Zusammenhalt. Außerdem finde ich es schön, dass es hier so viele Familien gibt. Der Kinderarzt ist gleich nebenan, das Geburtshaus um die Ecke, es gibt sehr viele Kindergärten.

An wen möchtest du das Gespräch weitergeben?An Torsten Behnk vom Kinderhaus Mottenlos. Den Kindergarten gibt es schon seit dreißig Jahren. Unsere Tochter war dort auch. Ich finde, das Team vom Kinderhaus vermittelt genau das, was den Stadtteil ausmacht. Außerdem findet dort eine ganz vorbildliche und entspannte Art der Kindererziehung statt, in der die Gemeinschaft von Individuen im Mittelpunkt steht. Jeder hat seine Leidenschaft, jeder darf verschieden sein, aber trotzdem bilden alle eine Gemeinschaft. Das macht Ottensen ja auch aus. Und bei den Kinder soll das anfangen, die dann die Vision für den Stadtteil weitertragen. Welches Geschenk gibst du an Torsten Behnk weiter?Ein handgemachter Engelwurzbalsam bei Säuglingsschnupfen. Das verkörpert für mich den Stadtteil, weil hier so viele Familien wohnen, die auf die sanfte Medizin setzen.
Mehr Menschen vo(r)m Fach
Ottensen ist ein Dorf. Seine Anwohner rücken weg von der Anonymität – und noch näher zusammen. Wenn auch ihr die Menschen in diesem wunderbaren Stadtteil kennenlernen wollt, stellen wir euch gern ein paar davon vor: Da wäre Michael Wendt, Leiter der Motte oder auch Monika Baum, deren Hingabe uns jährlich die Altonale beschert.