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Mirjam Rüscher
Ottensen

Offene Kirche: Von der Sehnsucht nach Stille

Mirjam Ruescher
Mirjam Ruescher

Einmal in der Woche wird die Christianskirche zur "Offenen Kirche". Hier können Besucher mehr über die Kirche erfahren oder einfach mal abschalten und zur Ruhe kommen.

Die Tür fällt zu. Plötzlich ist es ganz still. Der Straßenlärm, das Getöse der Stadt, alles wird von dem alten Mauerwerk verschluckt. An der Decke der barocken Christianskirche prangen die Sterne am Himmel. Allein auf den leeren Kirchenbänken ist Zeit, um seinen Gedanken nachzuhängen. Es gibt einige Besucher, die nur deswegen herkommen. Wenn die Kirchenhüter von Ottensen die Türen zur Kirche aufschließen, dann gibt es drei Sorten von Besuchern, weiß Peter Storck. "Es sind Touristen von außerhalb, Menschen, die das seelsorgerische Gespräch suchen, und Menschen, die einfach auf der Suche nach Ruhe sind. Sie setzen sich hin und genießen die Stille", erzählt der oberste Kirchenhüter. Storck organisiert den Freiwilligendienst in der Kirche. Es sei etwas Besonderes, die Kirche mal ganz für sich allein zu haben. "Es kann beinahe meditativ sein, hier zu sitzen", so Storck, der auch Mitglied im Kirchengemeinderat ist. Und so ist es die Hauptaufgabe der Kirchenhüter, den Unterschied zu erkennen. "Man muss ein Gespür dafür haben, wen man anspricht, um ihm etwas über die Kirche zu erzählen, und wen man einfach in Ruhe lässt. Immerhin darf man keinen erschrecken", sagt Storck. Empathie, das sei es, wonach er bei den potenziellen Kirchenhütern suche.

Seit 2003 gibt es das Projekt an der Christianskirche. Einmal pro Woche öffnen Ehrenamtliche die Türen und halten die Kirche für Besucher offen. Peter Storck ist von Anfang an dabei und übernahm die Organisation. Das Spektrum der Kirchenhüter sei groß – von der Universitätsprofessorin bis zur Hausfrau sei alles dabei. Storck selbst ist freiberuflicher Texter. Um Kirchenhüter zu werden, brauche es neben der Empathiefähigkeit zwei Dinge: Wissen über die Kirche und ein Verständnis für den Geist der Kirche. "Es ist ein 280 Jahre alter sakraler Bau mit einer sehr wechselvollen Geschichte. Die Daten kann man lernen, aber man muss es eben auch fühlen", sagt Storck. Die Christianskirche sei ein wahres Kleinod an der Elbe, sagt Storck und beginnt über die Geschichte der Kirche zu sprechen, den Altar und das Bild in der Mitte. "Das Bild stammt von Gottfried von Stockhausen, einem berühmten Kirchenmaler." Der Maler wurde mit der Arbeit beauftragt, habe sich aber sehr damit gequält. Zehn Jahre habe es gedauert, bis das Bild fertig war. Peter Storck stoppt, er lacht etwas verlegen. "Als Kirchenhüter muss man eben ein paar Highlights kennen."

Highlights hat er auch in seiner Zeit als Kirchenhüter erlebt. "Einmal war ein Teufelsaustreiber hier. Er sagte, er brauche nicht lang, aber er wolle die Teufel in den Nischen der Kirche austreiben", sagt Storck. Manche Besucher kämen auch zum Reden in die Kirche, sie hätten eine Sehnsucht nach anderen. Auch da benötige man viel Fingerspitzengefühl. Immer um 12.05 Uhr gibt es ein kleines Mittagsgebet. Es dauert etwa sieben bis zehn Minuten. "Auch das Vaterunser und den Segen sprechen wir dann", so Storck. Eine junge Frau, für die er mal ganz allein eine Andacht gehalten hat, sei am Ende sehr gerührt gewesen. "Sie sagte, es war das erste Mal, dass sie so etwas allein erlebt hat. Das war ein gutes Gefühl", so Storck.

Die offene Kirche gibt es immer donnerstags von 12 bis etwa 17 Uhr. Die Kirchenhüter wechseln sich im Zwei-Stunden-Takt ab. Zwischen 5 und 25 Besucher hat Storck in diesen zwei Stunden für gewöhnlich. Manche sind sogar Stammbesucher. Ein Mann etwa sei regelmäßig in der Kirche. "Er kommt rein, geht direkt zu seiner Lieblingsbank – die dritte Reihe von vorn –, bleibt eine halbe Stunde sitzen und geht dann wieder. An manchen Tagen sagt er kein Wort", sagt Storck. Manchmal grüße er auch, dann grüßt Storck natürlich herzlich zurück.
Infos: Kirche Ottensen
Wer mehr über die Kirchenhüter erfahren oder selbst einer werden möchte, kann sich an Peter Storck wenden, E-Mail: storck@kirche-ottensen.de

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