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SOS-Kinderdorf Hamburg, Torsten Kollmer
Hamburg

Hamburg-Index: Hier sind Kinder am glücklichsten

Sophia Herzog
Sophia Herzog

Ist Kinderglück messbar? Das SOS-Kinderdorf Hamburg hat es versucht und für die einzelnen Stadtteile einen Report veröffentlicht, der aufrütteln will. Einrichtungsleiter Torsten Rebbe beantwortet die wichtigsten Fragen im Interview.

Draußen wird es dunkel, im Licht der Küchenlampe tanzt der Mehlstaub. Die Mutter schiebt ein Blech in den Ofen, Papa rollt die nächste Ladung Teig aus. Mit erstaun­lich viel Schwung klatscht die Hand des Mädchens in die Mas­se und hinterlässt einen win­zigen Abdruck. Aus der schoko­verschmierten Schnute klingt ein glasklares Lachen, klebrige Finger greifen nach dem Är­mel der Mutter. Im Raum riecht es nach frisch gebackenen Keksen und Familienglück. Na­türlich braucht es nicht immer diese perfekte Harmonie – aber wie viel ist nötig, damit Kinder glücklich aufwachsen können? Und welche Faktoren erschweren das? Torsten Rebbe, Einrichtungsleiter des SOS­-Kinderdorfs Hamburg, möchte mit dem "Weißbuch Kinderglück" zeigen, wo in Hamburg die Bedingungen zum Aufwachsen vermeintlich am Besten sind, und in welchen Vierteln Verbesserungsbedarf besteht. Herausgekommen ist eine bunte Karte der Stadt. Ob der Stadtteilvergleich aber wirklich so aufgeht wie er scheint, erklärt Torsten Rebbe im Gespräch. Torsten, was ist Kinderglück?Torsten Rebbe: Leuchtende Kinderaugen. Wer wis­sen will, was Kinderglück ist, muss nur in das Gesicht eines lachenden Kindes schauen. Klingt so, als wäre Kinderglück eher schwer messbar… Ja, im Grunde genommen kann man das nicht wirklich in Zahlen fassen. Aber "Kinder­glück" ist einfach ein schöner Begriff, unter dem sich jeder sofort etwas vorstellen kann. Wir haben mit unserem Weiß­buch eher versucht, die Auf­wachsbedingungen der Ham­burger Kinder darzustellen.

Das heißt also nicht, dass die Eimsbütteler Kinder im Schnitt glücklicher sind als die in Dulsberg?Nein, das zeigt eher: Hier sind die Bedingungen förder­lich, hier eher hinderlich. Wir haben den Index an der An­zahl der Schulen, aber auch an der von Arbeitslosen und Ge­walttaten festgemacht. Diese Faktoren haben wir gewählt, weil wir darüber für alle Stadt­teile Daten hatten. Dabei wären natürlich noch allerhand Vergleiche nötig gewesen, um das wasserdicht zu machen. Aber die Ergebnisse haben sich mit unseren Erfahrungen gedeckt. Welche Faktoren fehlen denn im Weißbuch? Am liebsten hätten wir auch noch Einflüsse wie Spielplätze, Grünflächen oder Gewalt in Familien eingebracht. Aber das hat die Datenlage nicht zugelassen. Und mit den Kindern aus den Stadtteilen hätten wir natürlich auch gerne gesprochen. Die wissen schließlich am besten, ob sie glücklich sind. Aber es war auch nicht unser Ziel, eine wissenschaftlich fundierte Studie zu erarbeiten.

Was wolltet ihr stattdessen erreichen?Der Index ist sehr pointiert. Dulsberg beispielsweise ist ein sehr liebenswerter Stadtteil, ich arbeite sehr gerne hier, wir haben tolle Nachbarn. Es wäre verrückt zu sagen, dass hier nur unglückliche Kinder wohnen. Aber die Belastungsfaktoren sind höher als in anderen Stadtteilen. Unser Ziel war es also gar nicht, so zu verallgemeinern, sondern aufzurütteln. Viele Eltern der negativ bewerteten Stadtteile werden beim Betrachten der Karte sicherlich erstmal sagen: Bei mir ist das aber ganz anders. Hier wollen wir in die Diskussion zu gehen. Was läuft gut in unserem Stadtteil? Und was fehlt, damit Kinder glücklicher auswachsen können? Ein Schwerpunkt im Weißbuch ist die Rolle der Eltern...Ja, wir wollten erreichen, dass mehr Menschen auch auf die Probleme der Eltern schau­en. Wir müssen nicht ständig an den Kindern herumschrau­ben, wenn es nicht gut läuft – in der Regel sind es die Eltern. Denn die sind die erste Keim­zelle, die erste Peergroup der Kinder, und damit ein enorm wichtiger Teil des Kinder­glücks. Wir sollten nicht sagen "Dein Pech, wenn dein Kind Schwierigkeiten macht". Stattdessen sind wir alle gefordert, diese Familien zu unterstützen und sie nicht alleine zu lassen, ein Netzwerk ist wichtig. Das war auch der Appell, den ich mit dem Weiß­buch geben wollte. Es gibt ein afrikanisches Sprichwort, das ich sehr passend finde: "Um ein Kind aufzu­ziehen, braucht es ein ganzes Dorf."

Mehr Glück für Große und Kleine

Einer, der im kleineren Rahmen etwas für glückliche Kinder tut, arbeitet in Ottensen: Torsten Behnk vom Kinderhaus Mottenlos will seinen Schützlingen Diversität und Individualität vorleben. Aber auch die Erwachsenen sollten in Hamburg glücklich werden – nach dem Glücksatals 2018 leben in Hamburg die zweitglücklichsten Deutschen.