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Bence Balla-Schottner
Hamburg

Hamburg reißt ab: Hier sollen alte Bauwerke Neuem weichen

Meike Neddermeyer
Meike Neddermeyer

Unser Hamburg, die Baustelle. Kräne und Bagger prägen nicht nur am Hafen das Stadtbild. Ständig wird irgendwo saniert, restauriert – und abgerissen. Das passt uns Hamburgern aber nicht immer, schließlich lieben wir unsere Stadt und ihre Bauwerke.

Bauprojekte stoßen bei der Anwohnerschaft nicht immer auf Begeisterung. Gerade, wenn dafür Altes weichen muss. Schließlich sind viele Gebäude Zeitzeugen und charaktergebend für ihre Viertel. Wo muss Geschichte erhalten, wo neuer Raum geschaffen werden? Erst letztes Jahr fiel der City-Hof trotz Denkmalschutz und jahrelangen, lauten Protesten den Abrissbaggern zum Opfer. Nun gibt es neue Bauvorhaben, an denen sich die Geister scheiden.

Cremonbrücke: Der blaue Übergang in der Innenstadt

So besonders alt ist sie gar nicht. Trotzdem muss sie ihren Platz räumen. Erst 1982 wurde die Cremonbrücke über der Willy-Brandt-Straße in der Hamburger Innenstadt errichtet und geleitet seitdem Fußgänger sicher über die sechsspurige Fahrbahn. Obwohl sie nicht besonders schön im klassischen Sinne ist, erfreut sie sich vieler Liebhaber, die für ihren Erhalt kämpften. Aktionen wie Konzerte und Yoga fanden auf der Brücke statt, um ihren Mehrwert aufzuzeigen. Vergebens – der Abriss ist beschlossene Sache. Hamburg verliert damit ein markantes Bauwerk und einen Aussichtspunkt. Besonders kritisiert: Der Beschluss fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das benachbarte Holcim-Haus soll ebenfalls einem Neubau weichen. Für die Brücke ist kein Ersatz geplant: Fußgänger müssen sich in Zukunft mit einer Ampelanlage begnügen. Start ist 2022.

Alsterdorfer Beamten-Villa: Hanseatischer Charme

Besonders die Gründerzeit-Villen rund um die Alster liegen uns Hamburgern am Herzen. Ob Fachwerk oder stuckverziert, sie machen den Charme der Viertel aus und erinnern an vergangene Zeiten. Jedoch verschwinden immer mehr von ihnen aus dem Stadtbild – für Neubauten, die mehr Wohnraum bieten. Bereits im November 2019 wurde mit dem Abriss einer Villa im Graumannsweg in Hohenfelde begonnen. Nun soll ein weiterer geschichtsträchtiger Altbau in Alsterdorf Platz machen. 2008 wurde das Anwesen umfangreich renoviert und modernisiert – der Zustand ist also nicht zu beklagen. Im Gegenteil, auch von innen sei die Villa "wirklich ein Traum", sagte ein ehemaliger Interessent gegenüber dem Hamburger Abendblatt. An Stelle der einstigen Residenz von Chefärzten und Pastoren mit 294 Quadratmetern Wohnfläche sind sieben moderne Stadthäuser geplant. Die würden etwa 35 Bewohnern Platz bieten. Eine Bürgerinitiative hat sich gebildet. Sie protestiert gegen den Abriss und will den Charakter des Viertels erhalten. Erst Ende 2019 konnte die Bürgerinitiative "Rettet die Fährhausstraße 22" eine rosafarbene Altbauvilla auf der Uhlenhorst vor dem Abriss bewahren. Das Gebäude wurde unter Denkmalschutz gestellt. Diese Maßnahme kommt für die Alsterdorfer Villa nicht in Frage: Durch Renovierungen des Privatbesitzers ist zu viel historische Bausubstanz verloren gegangen. Bis die Neubaugenehmigung vorliegt, bleibt die Villa zunächst bestehen.

Fährstraße 115: Das Haus auf dem Deichfuß

Städtebauliche Auswirkungen des Klimawandels bekommen, na klar, Stadtteile am Wasser als erstes zu spüren. Hamburg will seine Deiche um mindestens 80 Zentimeter erhöhen. Eine Maßnahme zum Hochwasserschutz. Dafür soll der gelbe Altbau in Wilhelmsburg fallen. Im Endhaus der Fährstraße befindet sich seit 2007 ein soziales Wohnprojekt. Die 16 Bewohner hatten das Haus erst im Februar zusammen mit dem Mietshäuser-Syndikat gekauft, um den günstigen gemeinschaftlichen Wohnraum zu sichern. Der Abriss sei laut Stadt jedoch notwendig, der jetzige Deich seit jeher nur eine Übergangslösung. Die Bewohner sehen jedoch auch eine Möglichkeit darin, die Fahrbahn zwischen Deich und Viertel zu verengen. So könnte das Haus bleiben und die Deicherhöhung trotzdem realisiert werden – und das sogar kostengünstiger. Die Stadt könnte nun von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen. Laut Umweltbehörde wäre dann bis zum Abriss 2024 Zeit, sich nach einer neuen Immobilie für das Wohnprojekt umzusehen. Für die Bewohner ist das keine Option. So großflächigen und bezahlbaren Wohnraum würden sie nirgends sonst finden. Auch die Vernetzung im Viertel ist nach mehr als zehn Jahren nicht zu ersetzen, das Projekt nicht nur WG, sondern Nachbarschaftstreff. In ihrer Initiative "115 bleibt" setzen sich die Anwohner für den Erhalt des Hauses ein.

Sülldorfer Landstraße: Alles neu

Sülldorf – wo war das noch gleich? Aus dem schönen Stadtteil in Hamburgs Westen hörte man bisher nicht viel was kontroverse Themen angeht. Nun macht er mit innovativen Wohnungsbauprojekten von sich Reden. Bereits 2019 entstanden im Zuge der Aufwertung des S-Bahnhofs Sülldorf Wohnungen, Studenten-Apartments und eine Kita. Dazu wurde ein Gelände neu gestaltet, auf dem sich bisher nur ein Supermarkt mit Parkplatz befand. Nun wächst bald zwischen den Nummern 146 und 154 ein Komplex aus Supermarkt und 78 Wohneinheiten. Damit fällt der Neubau unter das vom Senat beschlossene Magistralen-Konzept: Die Aufstockung von niedrigen Bauten entlang der Hauptverkehrsachsen für mehr Wohnraum. Das Konzept fand zuvor schon in der Sülldorfer Landstraße 165 bis 169 Anwendung – zehn neue Wohnungen entstanden. Die Anwohner fürchten um die Persönlichkeit des Stadtteils, denn die schönen Stadthäuser, die weichen müssen, haben Sülldorf jahrelang geprägt. „Die Pläne sind viel zu brutal und haben keine Identität. Das entspricht nicht dem dörflichen Charakter Sülldorfs“, hieß es bereits 2018 im Abendblatt. Damals waren den Sülldorfern die Vorhaben im Quartier präsentiert worden.

Sternbrücke: Kult-Ort in Altona-Nord

Bereits seit 2005 plant die Bahn den Abriss der Sternbrücke. Die Überführung auf Stahlpfeilern kreiert ihre ganz eigene Atmosphäre an der Kreuzung von Stresemannstraße und Max-Brauer-Allee. Die angesiedelten Clubs Fundbureau, Waagenbau und Astra Stube tragen ihren Teil zum Flair bei. Seit 2018 sind die Pläne konkreter. Denkmalschutz, Anwohner und Prominente wie Regisseur Fatih Akin setzen sich seit jeher für den Erhalt des prägenden Bauwerks ein. Nun steht der Entwurf für die neue Sternbrücke: Ein massives, bogenförmiges Konstrukt im "Fehmarnsund-Stil", 100 Meter lang. Die Straße wird dann frei von den Stahlträgern sein. 125 Millionen Euro kostet das Ganze. Die "Initiative Sternbrücke" übt scharfe Kritik. Der Abriss des Baudenkmals sei nicht notwendig und würde lediglich einen kulturell bedeutenden Ort zerstören. Laut Bahn sollen sich Anwohner in einem Beteiligungsverfahren einbringen können. Sobald die Bauarbeiten 2023 beginnen, müssen die Clubs ihren Platz räumen. Auch die Bauwagensiedlung Zomia muss sich verkleinern.

Bauvorhaben in Hamburg

Welche Gebäude außerdem Gefahr laufen, abgerissen zu werden, könnt ihr auf der Website des Denkmalvereins einsehen. Ihr seid auf der Suche nach einem neuen Zuhause? Wie wär's mit einer Wohnung in einem dieser Neubau-Projekte in Hamburg ? Auch südlich der Elbe rollen die Bagger: Diese Bauprojekte stehen 2020 in Harburg an.