
Sternbrücke: Kommt jetzt doch das Go für den Mega-Neubau?
Und einmal mehr geht der Streit um den Abriss der Sternbrücke in die nächste Runde: Während die Bahn an den Entwurfsplänen festhält, droht die Initiative mit Klagen gegen den Neubau.
Seit 2005 (!) ist sie Streitthema: die denkmalgeschützte Sternbrücke in Altona-Nord. Genauer gesagt der geplante Abriss der Brücke. Die Deutsche Bahn will das hundertjährige Bauwerk durch eine neue Konstruktion ersetzen und veröffentlichte im Frühjahr 2020 entsprechende Visualisierungen.
Der 125 Millionen Euro teure Entwurf des Neubaus im "Fehmarnsund-Stil" hatte Entsetzen, laute Gegenstimmen – sowie etliche ironische Gegenentwürfe – aus Denkmalschutz und Initiative hervorgerufen. Auch der Bund Deutscher Architekten (BAD) sprach sich klar gegen den geplanten Neubau aus, der die bestehende Bebauung des Viertels und die öffentliche Meinung ignoriert.
Vehemente Ablehnung des Neubaus
Die Hamburger Architektenkammer (HAK) schloss sich an: "Die Bevölkerung erfuhr von den konkreten Planungen erst jetzt, unmittelbar vor Beginn des Planfeststellungsverfahrens", lautete es in der Mitteilung. Bahn und Stadt hätten die "gesamtstädtische Bedeutung eines Neubaus der Sternbrücke nicht erkannt". Denn die Baumaßnahmen würden die Stadt nicht nur um ein historisch wichtiges Bauwerk, sondern auch einen kulturellen Knotenpunkt ärmer machen. Bahn und Stadt hingegen sahen in dem wuchtigen, 108 Meter langen Stahlkonstrukt ohne Stützen auf der Straße eine klare Verbesserung und planten den Beginn der vierjährigen Bauphase für 2023.
Gutachten: Sternbrücke noch Jahrzehnte nutzbar
Dann, 15 Jahre (!!) nach Planungsbeginn, stellte ein 2020 veröffentlichtes Gutachten der Kulturbehörde den Abriss in seiner Notwendigkeit infrage. Die Sternbrücke sei durchaus noch sanierungsfähig – trotz der Belastung durch mehr als 900 Züge pro Tag. So sagt ihr das Gutachten, das schon 2018 erstellt wurde, noch eine Lebensdauer von über 50 Jahren zu und garantiert selbst an der beanspruchtesten Stelle noch neun Jahre Stabilität. Die punktuellen Schäden könnten aber durchaus saniert werden. Womit ein Abriss und Neubau gar nicht notwendig wäre – besonders mit Blick auf den Denkmalschutz, unter dem die Brücke steht!
Uneinigkeit auch in der Politik
Für die Stadt wäre eine Sanierung deutlich günstiger – denn diese müsste die Bahn allein finanzieren. Den Millionenaufwand für den Neubau würden sich Stadt und Bahn teilen. Auch die umliegenden Gebäude könnten erhalten bleiben, zudem wäre die Sanierung klimafreundlicher. Die Altonaer Bezirksamts-Chefin Stefanie von Berg plädierte statt einer Erweiterung der Straße für Pkw im Sinne der Mobilitätswende für breitere Rad- und Fußwege. Daher sei auch die Notwendigkeit einer stützenfreien Konstruktion fragwürdig. Die Entscheidung liegt allerdings bei der Deutschen Bahn AG, der die Sternbrücke gehört. Die zieht eigene Gutachten zurate, laut denen "der langfristige Erhalt der Bausubstanz aufgrund der fortschreitenden Ermüdung des Stahls nicht mehr möglich ist". Somit hält der Konzern an den ursprünglichen Plänen fest. Sicherlich auch aus finanziellen Gründen: Eine Planänderung würde immense Kostensteigerungen bedeuten.
Und nun?
Tja, nun halten Bahn und Senat trotz allem an den Entwurfplänen fest. Der Stahlkoloss auf den Visualisierungen soll Realität werden. Schlankere Gegenentwürfe – vom Tisch, abgelehnt von der Bahn. Für Anwohner, Kritiker und Denkmalschutz ein Schlag in die Magengrube. Der geplante Baustart bleibt 2023. Ende November 2020 werden die Planungsunterlagen öffentlich ausgelegt, außerdem soll es am 26. November eine digitale Informationsveranstaltung geben, um "allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu geben, mehr über unser Vorhaben und die öffentliche Beteiligung zu erfahren", so die DB-Konzernbevollmächtigte für Hamburg und Schleswig-Holstein, Manuela Herbot, gegenüber dem NDR.
Wenn es nach Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) geht, stellt die Brücke einen "Hemmschuh für die Mobilitätswende in Hamburg" dar. Seitens CDU und Linke erntet der rot-grüne Senat heftige Kritik ob der Entscheidung. Der Neubau sei nicht nur optisch und kulturell ein Desaster für den Stadtteil, sondern Paradebeispiel für die "Nicht-Bürgerbeteiligung" bei Bauvorhaben in Hamburg sondergleichen. Rund 6.000 Hamburger unterzeichneten indes bereits die Online-Petition gegen den Abriss, darunter auch Regisseur Fatih Akin. Am 7. November ist eine Kundgebung vor Ort geplant. Das Thema wird also weiterhin für hitzige Diskussionen in Hamburg sorgen – wir sind gespannt!
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