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Grindelhochhäuser
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Harvestehude

10 Dinge, die ihr über die Grindelhochhäuser wissen solltet

Meike Neddermeyer
Meike Neddermeyer

Von Fans der Nachkriegsarchitektur geliebt, für andere ein architektonischer Schandfleck: die Grindelhochhäuser. Über 75 Jahre ist der kultige Gebäudekomplex bereits alt. Zeit also, sich seiner Geschichte zu widmen.

Die Grindelhochhäuser gehören zu Harvestehude

Das mit dem Grindel ist ja so eine Sache. Als wäre das mit den Bezirken und Stadtteilen nicht schon Ordnung genug, die vor allem Zugezogene (aber auch einige eingefleischte Hamburger!) erst einmal verinnerlichen müssen. Dann gibts dazu aber auch noch etliche Gebiets- und Quartiersbezeichnungen. Ob sich besagte Quartiere an die Grenzen der Stadtteile halten? Nö, warum auch – da setzen sie uns lieber endgültig die Krone der Verwirrung auf. Ein solcher Fall ist auch das Grindelviertel. Dessen Zentrum bildet der Allende-Platz, also quasi die Uni Hamburg im Stadtteil Rotherbaum, wo sich auch der Großteil des Quartiers befindet. Der nördliche Bereich vom Grindel, in dem sich auch die Grindelhochhäuser befinden, gehört allerdings zu Harvestehude. Für die gut situierten Stadtteile stellen sie ein architektonisches Kontrastprogramm dar, schließlich sind Harvestehude und Rotherbaum für ihre prachtvollen historischen Altbauten und Villen bekannt.

Deutschlands erste Hochhaussiedlung

Auch, wenn wir Hanseaten eher für unseren bodenständigen Charakter gekannt sind, mit den Grindelhochhäusern geht ein geschichtlicher Rekord an Hamburg. Mit Baubeginn 1946 entstanden hier nämlich die ersten Wohnhochhäuser des Landes nach dem funktionalistischen Prinzip von Le Corbusier und beispielhaft für die Nachkriegsarchitektur.

Es gibt zwölf Grindelhochhäuser

Jedes Grindelhochhaus misst zwischen 26 und 41 Meter Höhe auf neun bis 15 Stockwerken, zwölf Gebäuderiegel sind es an der Zahl. Keines gleicht dabei ganz genau einem anderen. Zehn Jahre lang wurde hochgestapelt, 1956 waren die über 2.100 Wohnungen (Größe: 17 bis 100 Quadratmeter) fertig, die Platz für rund 5.400 Menschen boten. Heute leben etwa 3.500 in dem Denkmal, zu dem die Grindelhochhäuser im Jahr 2000 erklärt wurden, und genießen den Ausblick über die Stadt.

Der Grindelberg war früher jüdisch

Dort, wo am Grindelberg heute die Grindelhochhäuser stehen, befand sich vor dem Krieg ein jüdisches Wohnviertel mit etwa 175 Häusern. Generell war und ist das Grindelviertel von der Religion geprägt. Am heutigen Joseph-Carlebach-Platz, der damals Bornplatz hieß, befand sich die größte Synagoge der Stadt. Ein Mosaik auf dem Boden zeugt heute noch von ihrem Standort. Nicht nur die Synagoge, auch die Siedlung fiel dem Krieg zum Opfer: 1943 machte die Operation Gomorrha den Grindelberg dem Erdboden gleich. Die jüdische Bewohnerschaft hatten die Deutschen schon zuvor enteignet und deportiert.

Geplant für britische Soldaten und Offiziere

Einziehen sollte die britische Besatzung – vor Vollendung des Baus verlegten sie ihr Hauptquartier jedoch von Hamburg nach Frankfurt. So kam es, dass ab 1950 stattdessen Hamburger die Grindelhochhäuser bezogen. Übrigens war es Max Brauer, dem der schnelle Wiederaufbau der Stadt zu verdanken ist. Der damalige Bürgermeister (SPD) hatte während des NS-Regimes aus Hamburg flüchten müssen und kehrte nach dem Krieg zurück. Unter seiner Führung wuchsen auch die Grindelhochhäuser in die Höhe.

Die Grindelhochhäuser waren echte Luxusbauten

Und die staunten nicht schlecht, denn was die Grindelhochhäuser boten, war gemessen an den Standards der Fünfziger purer Luxus. Sie versprachen ein besseres Leben. Die Glücklichen, die eine Wohnung im Grindelhochhaus bezogen, erwarteten hinter der gelb geklinkerten Fassade große Fenster, Dachterrasse im 14. Stock, Müllschlucker, Fahrstühle, eine Tiefgarage nebst Tankstelle und Einkaufsmöglichkeiten im Erdgeschoss. Absolutes Highlight war jedoch die Ausstattung jeder Wohnung mit eigenem Sanitärbereich. Dafür mussten die Mietenden allerdings auch verhältnismäßig mehr Miete berappen – etwa doppelt so viel wie im Altbau. Können wir uns heute eine Wohnung ohne Badezimmer überhaupt vorstellen? Wohl kaum. Das ist die Sache mit der Perspektive.

Dabei klingt "Hochhaussiedlung" ja immer erstmal nach Stahlbetonwüste. Im Fall der Grindelhochhäuser gestaltet sich das aber anders: Da die einzelnen Häuser ganze 100 Meter voneinander entfernt gebaut sind, ist zwischen ihnen viel Platz für Lichteinfall und Begrünung. Die Parkanlage dient der Nachbarschaft in "Hamburgs Manhattan" als Treffpunkt. Neben der Flora gibts einige Figuren zu entdecken.

Hausnummer gesucht?

Kurios: Einige Hausnummern sucht ihr an den Grindelhochhäusern vergebens. Am Grindelberg starten sie bei 56 und enden bei 70 – auch dazwischen sind nicht alle Nummern vertreten. Dies ist der Vernichtung des alten jüdischen Viertels geschuldet. Auf diese Weise fügt sich die Nummerierung harmonischer in die übrige Bebauung wie die gegenüberliegende Straßenseite und den weiteren Straßenverlauf ein. An der Brahmsallee siehts ähnlich aus.

Ein Grindelhochhaus auf Abwegen

Ähnlich kurios: Beim Bau eines Grindelhochhauses wurde die Grundstücksgrenze überschritten – und der benachbarte Grund gehörte nicht der Stadt. Wir sprechen hier immerhin von 20 Metern Hochhaus. Dies hatte einen Rechtsstreit zwischen der Eigentümerin und der SAGA zur Folge. 1964 entschied der Bundesgerichtshof im Grindelhochhaus-Urteil zugunsten der Herausgabeklage der Klägerin. Der Streit hat bis heute juristische Relevanz, wenn es um die Bebauung fremder Grundstücke geht und ist prominentes Fallbeispiel.

Grinden vorm Grindelhochhaus – drinnen wird geheiratet

Skateparks in Hamburg erwartet man vielerorts, wohl aber nicht unbedingt im schicken Harvestehude. In der Realität präsentiert sich dieses Fleckchen des Stadtteil allerdings sehr urban. Vor der Kulisse der Grindelhochhäuser, die sich perfekt als Hintergrund fürs Foto eignen, sind auf kleinem Raum viele Obstacles vorhanden, die den Skatenden waghalsige Tricks ermöglichen und einiges an Können abverlangen.

Viele Hamburger feiern ihren schönsten Tag in den Grindelhochhäusern – denn hier sitzt das Eimsbütteler Standesamt. Hochzeitsfotos vor der Fassade haben etwas Urbanes und Alternatives und da es genug Häuser gibt, müsst ihr keine Sorge haben, zwischen die Skater zu geraten. Ihr träumt von märchenhafterer Kulisse? Dann wartet auf der Anlage ein romantischer Park auf euch. Aber auch, wenn ihr nicht Rollbrett fahren oder den Bund fürs Leben schließen wollt, lohnt sich ein Abstecher, um die Grindelhochhäuser aus nächster Nähe zu betrachten. Traut euch doch mal.

Zeitreise in den Grindelhochhäusern

Hier könnt ihr nämlich nicht nur unendlich Fahrstuhl, sondern auch Paternoster fahren. Die Aufzugsanlage, die manch einer scherzhaft "Beamtenheber" nennt, findet ihr im Bezirksamt. Das Prinzip stammt noch aus der Kaiserzeit. In ganz Hamburg gibt es noch 13 öffentlich zugängliche Paternoster – eine besondere Attraktion in den Grindelhochhäusern also. Zwei Personen passen in die kleine Kabine des Umlaufaufzugs.

Unsere Texte, Tipps und Empfehlungen richten sich an alle, die sich für Hamburg interessieren. Deshalb bemühen wir uns um genderneutrale Formulierungen. Nutzen wir die männliche Form, dient dies allein dem Lesefluss. Wir denken aber stets Menschen aller Geschlechter mit.

Quellen zum Text: