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Ottensen

Das steckt hinter dem berühmten Ottenser Torbogen

Sophia Herzog
Sophia Herzog

Jeden Tag laufen wir an ihm vorbei, manche schauen ihn an, manche bemerken ihn gar nicht mehr: Der Ottenser Torbogen steht seit 1980 auf dem Spritzenplatz und ist für viele ein fester Bestandteil des Stadtbilds. Akzeptiert oder sogar geliebt wurde der Torbogen allerdings nicht von Anfang an. Die Schöpferin der Plastik, Doris Waschk-Balz, lebt seit 1964 in Hamburg und arbeitet seit vielen Jahren in Ottensen. Sie erzählt von dem Widerstand, auf den sie damals gestoßen ist, und warum die Statue so gut zum Stadtteil passt.

Blickt man aus dem Fenster des Ateliers von Doris Waschk-Balz, schaut man direkt auf einen Konflikt, der Ottensen schon seit Jahrzehnten beschäftigt. In dem lichtdurchfluteten Raum reihen sich kleine und große Plastiken aus Ton oder anderen Materialien aneinander, Zeichnungen bedecken die Wände, auf einem Schreibtisch häufen sich Bleistifte und Pinsel. "Vor einem Jahr haben sie uns das Gebäude da drüben vors Fenster gebaut", erzählt Waschk-Balz. Der moderne Neubau mit schicken Wohnungen steht im Kontrast zu dem alten Schulgebäude, in dem sich das Atelier befindet. "Die Ottenser fürchten, dass das Viertel immer weiter von wohlhabenden Leuten eingenommen wird."

Am Anfang war das Viertel geteilter Meinung

Das war schon 1980 so. Damals wurde Doris Waschk-Balz zusammen mit zwei weiteren Künstlern vom Bezirk eingeladen, um einen Entwurf für die Statue am Spritzenplatz vorzustellen. "Man hat damals versucht, den Stadtteil demokratisch in die Planung mit einzubeziehen", erinnert sich die Künstlerin. Man habe also eine Vitrine mit den drei Modellen und einen Briefkasten aufgestellt, damit die Bewohner ihre Meinung dazu äußern könnten. "Nach zwei Tagen war die Vitrine zertrümmert."

Der Grund: Damals wurde in Ottensen heftig über umstrittene Sanierungsmaßnahmen und eine geplante Straßenschneise durch das Viertel diskutiert. Der Wunsch, dass Ottensen weiterhin ein buntes Viertel bleibt, in dem Einzelhandel, kleine Manufakturen und Künstler das Stadtbild prägen, war in den späten 70ern auch schon präsent. In dem Aufstellen einer Plastik sahen einige die ersten Anzeichen dafür, dass der Stadtteil jetzt schick und teuer werden sollte. Trotz des holprigen Starts ist der Ottenser Torbogen heute für viele ein prägender Teil des Viertels. Einmal haben zwei Frauen ein paar Tage lang die Statue von den Schmierereien befreit, erinnert sich Doris Wasch-Balz. "Das war sehr rührend." Ein anderes Mal hat ihr ein älterer Herr eine Gedicht über den Torbogen geschrieben. Und neulich hat sie eine Frau dabei beobachtet, wie sie von der Bahrenfelder Straße aus durch den Torbogen ging, ihn einmal umrundete, noch einmal hindurchlief und dann in Richtung Bahnhof verschwand: "Als wäre es ein tägliches Ritual für sie." Oft wird sie außerdem nach einer Interpretation der Statue gefragt. "Da halte ich mich zurück", sagt die Künstlerin und schmunzelt. "Jeder findet seine eigene Interpretation und bringt dabei auch ein großes Stück von sich selbst ein. Das finde ich schön."

Die Ottenser haben den Torbogen ins Herz geschlossen

Würde sie heute etwas anders machen, wenn sie den Auftrag ein weiteres Mal bekommen würde? "Die Idee und die Platzierung der beiden Frauen finde ich nach wie vor gut", überlegt Waschk-Balz. Allerdings würde sie die Figuren skizzenhafter formen. Für den Torbogen hat sich die Künstlerin von ihrem eigenen Körpergefühl leiten lassen, und sich ihre alte Nachbarin angeschaut. "Als der Torbogen stand, war es mir dann fasst unangenehm, dass ich zwei Menschen erfunden hatte."

Heute würde sie die Figuren weniger detailliert gestalten, damit das Verhältnis zu den Gebäuden rundherum mehr ins Blickfeld rückt – und die Betrachter nicht an Einzelheiten wie dem Gesichtsausdruck hängen bleiben. "Ich kombiniere meine Figuren mit architektonischen Elementen und ihrer Umgebung, will weniger einzelne Geschichten erzählen sondern eine allgemeinere Situation treffen", erklärt Waschk-Balz. Trotzdem denkt sie, dass das Nebeneinander von Jung und Alt, Ruhe und Bewegung, dass die Statue verkörpert, nach wie vor charakteristisch für den Stadtteil ist. "Die Figuren sehen zwar etwas abgenutzt aus", schreibt sie 1996 in einem Essay, "aber sie sind lebendig geblieben, aktiv im Zentrum."