
Christoph Busch: Der Zuhörer von der Emilienstraße
Der Eimsbütteler Christoph Busch betreibt seit Anfang Januar einen "Erzähl-Kiosk" im U-Bahnhof Emilienstraße. Christoph möchte nichts verkaufen, sondern einfach nur Geschichten sammeln. Ein einmaliges Projekt.
"Hallo, ich bin Christoph. Haben Sie Lust hereinzukommen und mir Ihre Geschichte zu erzählen? Wenn nicht jetzt, dann gerne ein anderes Mal." Diese Sätze aus dem Mund von Christoph Busch dürften Fahrgäste der Linie U2, die an der Emilienstraße ein- oder aussteigen, in den vergangenen Wochen häufiger gehört haben. Seit Anfang Januar ist Christoph der Betreiber von Hamburgs derzeit vielleicht ungewöhnlichstem Projekt: dem Erzähl-Kiosk im U-Bahnhof Emillienstraße. Der 71-Jährige möchte nichts verkaufen, sondern ist lediglich auf der Suche nach Geschichten. Manchmal sind diese lustig, ab und an langweilig, oftmals traurig. Er leiht den Menschen sein Ohr – denen, die zufällig vorbeikommen und besonders denen, die sonst niemanden zum Reden haben.
Christoph ist weder Arzt noch Therapeut, er möchte sich einfach nur unterhalten
Wer das erste Mal persönlich mit Christoph in Kontakt kommt, wird schnell verstehen, warum sein Erzähl-Kiosk sehr viel positive Resonanz erfährt. Er hat ein solch warmes Wesen in der Stimme und in seinen freundlichen Augen, dass es einem nicht schwerfällt, sich diesem vollkommen Fremden zu öffnen. "Ja, das habe ich schon früher gemerkt. Ich kann wohl tatsächlich ganz gut mit den Leuten umgehen", sagt Christoph, lächelt verschmitzt und rückt sich die Brille zurecht. "Ansonsten habe ich keine besonderen Tricks. Ich bin einfach immer ich selbst." Als Drehbuch- und Hörspielautor, unter anderem war er zweimal für den Deutschen Fernsehpreis nominiert, hatte der Eimsbütteler schon von Berufswegen immer viel Kontakt mit den unterschiedlichsten Menschen. Diese Passion führt er nun im Ruhestand fort. Doch wer will bei all dem Trubel, der rund um seinen Kiosk "Das Ohr" entstanden ist, schon von Ruhestand sprechen?

"Ich war neugierig und wollte mir mit der Idee auch selbst etwas Gutes tun. Ich unterhalte mich gern und dachte mir, im besten Fall kann ich all die Gespräche später für ein Buch nutzen. Anonymisiert natürlich", erklärt Christoph, während er sich in seinem gemütlichen Kämmerlein auf den Arbeitstag vorbereitet: Es gilt den Laptop aufzubauen, den Heizlüfter richtig zu temperieren und das Tonaufnahmegerät für die kommenden Gespräche einzurichten. Es ist Montagmorgen, 9.30 Uhr, und Christoph weiß, dass heute wieder einiges auf ihn und sein Ohr zukommen wird: "Ich hätte wirklich niemals gedacht, dass sich das, was ich hier tue, binnen kurzer Zeit so herumspricht. Offenbar habe ich einen Nerv getroffen. Die Menschen sind dankbar, wenn sie ihre Gedanken und Sorgen loswerden können." Geduldig hört er jedem einzelnen Gegenüber zu, macht sich Notizen und verteilt Ratschläge oder spendet Trost.
Eine Geschichte wie aus einem Drehbuch
Anfangs hätten ihn die meisten Passanten eher zögernd gemustert, mittlerweile ist sein kleiner Kiosk fast durchgängig mit Gesprächspartnern besetzt. Viele kommen gerne ein zweites oder drittes Mal wieder. Ein Grund für diesen Zulauf ist das große Medieninteresse, das der zweifache Familienvater hervorgerufen hat: Das Hamburger Abendblatt und Spiegel Online haben bereits vorbeigeschaut, RTL und das ZDF sich angekündigt. Wo das alles irgendwann hinführen soll, weiß Christoph selbst nicht. "Ich habe den Kiosk von der Hochbahn zunächst für sechs Monate angemietet. Dann werde ich weitersehen." Ob er danach einfach so wieder verschwindet? Man kann es sich eigentlich nicht vorstellen. Schließlich, und dessen ist sich Hamburgs ungewöhnlichster Kiosk-Betreiber vollkommen bewusst, habe er den Menschen gegenüber ja auch eine Verantwortung. Irgendwie gehe es sicher weiter. Wie genau? Das werde man dann schon sehen. Die Geschichte von Christoph und seinem Erzähl-Kiosk ist so herzerwärmend, dass sie direkt aus der Feder eines begabten Drehbuchautoren stammen könnte – und in gewisser Weise stimmt das ja auch. Ihr Ende ist offen, wir sind sehr gespannt.

Kontakt:Christoph Busch ist montags bis freitags zwischen 9.30 und 15 Uhr im U-Bahnhof Emilienstraße anzutreffen. Interessenten können sich telefonisch (0151 52910079) oder per E-Mail mit ihm verabreden.