
Warenwirtschaft: Mehr Bio für weniger Geld
Mit Bioläden und -märkten ist das alternative Ottensen ziemlich gut ausgestattet. Das Konzept der Warenwirtschaft ist allerdings einzigartig – nicht nur im Stadtteil, sondern in ganz Hamburg.
Auf den ersten Blick sieht das großzügig eingerichtete Geschäft aus wie ein ganz normaler Bio- und Ökoladen. Nur die Preisschilder verraten, dass hier alles etwas anders läuft. Neben dem normalen Bioladenpreis für Nichtmitglieder sind alle Artikel mit einem reduzierten Selbstkostenpreis für Mitglieder der Warenwirtschaft ausgezeichnet. Bei einem monatlichen Mitgliedsbeitrag von 22 Euro zahlt ihr durchschnittlich 30 Prozent weniger. So könnt ihr euch auch mit einem kleineren Einkommen hochwertige und fair gehandelte Bioprodukte leisten. Je mehr ihr in der Warenwirtschaft einkauft, desto günstiger wird es für euch. Haushalte mit Kindern zahlen einmalig 3 Euro, egal wie viele Kinder sie haben. Bei größeren WGs ist jeweils die fünfte Person kostenfrei. Als Aufnahmegebühr für die Einkaufsgemeinschaft werden einmalig 50 Euro pro Person fällig, die ihr aber bei Austritt aus der Warenwirtschaft zurückbekommt.

Die Warenwirtschaft: Ein moderner Tante-Emma-Laden
Zwischen den einzelnen Regalen ist sehr viel Platz, es herrscht kein Gedränge und keine Hektik, hier könnt ihr ganz in Ruhe stöbern. Die Kundschaft ist ziemlich gemischt, es gibt viele jüngere Leute und Familien mit Kindern. Die schieben ganz selbstverständlich ihre eigenen kleinen Einkaufswagen durch den großen quadratischen Raum, aber auch ältere Menschen aus der Gegend gehören zu den Mitgliedern. Frisches Obst und Gemüse sind liebevoll in einer Ecke angeordnet, Fleisch gibt es nur auf vorherige Bestellung. Ansonsten findet ihr hier alles, was ihr an Lebensmitteln und Produkten wie Waschmittel, Kosmetik, Seife und Shampoo in Ökoqualität für das tägliche Leben braucht und im Bioladen normalerweise auch bekommt.
Käse und Brot von Biohöfen aus dem Hamburger Umland
Hinter der Käsetheke steht heute Nico Czaja, einer der Gründer des Kollektivs. Eine Kundin schaut in die Auslage mit der übersichtlichen Auswahl an ausgewählten Käsesorten. Sie möchte gern einen ganzen, mit vielen Kräutern übersäten Käselaib kaufen, fragt allerdings rücksichtsvoll nach, ob das möglich sei. Nico Czaja einigt sich mit ihr, dass sie einen Laib bestellt, damit andere Kunden heute nicht das Nachsehen haben. Gleich neben der Käsetheke ist die Brotecke. Normalerweise gibt es eine große Auswahl an Brot von verschiedenen Biohöfen und Biobäckereien aus der näheren Umgebung. An diesem Spätnachmittag ist wegen des bevorstehenden Feiertags ausnahmsweise schon fast alles ausverkauft.

Fast wie zu Hause
An der riesigen Fensterfront befindet sich das supergemütliche, mit alten Polstersesseln, einem Sofa und sogar einem Bücherregal liebevoll eingerichtete, kleine Café. Es gibt täglich eine frisch zubereitete Tagessuppe, zum Beispiel eine pikante Paprikacremesuppe mit Schmand oder eine vegane Kartoffelsuppe mit Sauerkraut (kleine Portion 2,90 / große Portion 4.90 Euro). Dazu werden die leckersten selbst gemachten, belegten Fladenbrote und Kuchen angeboten. Alle Zutaten dafür kommen direkt aus dem Laden. Bei schönem Wetter könnt ihr es euch auch auf der großzügigen Terrasse vor der Warenwirtschaft unter den Bäumen an der Friedensallee gemütlich machen – hier ist es fast so gemütlich wie zu Hause.
In der Warenwirtschaft arbeiten nur Quereinsteiger
An der Kasse fragt Florian Frötscher die Leute nach ihrer Kundennummer. Nichtmitglieder erkennt er sofort, da er von ihnen ohne Nachfrage gleich den normalen Ladenpreis ohne Abzug verlangt. Das fünfköpfige Kollektiv – Anne Knauss, Berit Reimer, Florian Frötscher, Michael Reulecke und Nico Czaja – kennt seine Kundschaft eben ganz genau. Alle sind Quereinsteiger und waren ursprünglich mal Tischler, Psychologe, Pädagogin, Ethnologe und Krankenschwester, zwei von ihnen haben vorher schon Erfahrung mit einem Café gesammelt. Aus ihrer Leidenschaft für hochwertige Produkte und ein gleichberechtigtes Arbeitsumfeld haben sie eine Profession gemacht. Viel verdienen die engagierten Idealisten nicht, das ist ihnen aber auch gar nicht wichtig, Hauptsache der Laden trägt sich und bringt ihnen ein Gehalt ein. Schade, dass es inzwischen nicht viel mehr solche Einkaufsgenossenschaften gibt.
Infos: Warenwirtschaft, Große Brunnenstraße 141, 22763 Hamburg
Autorin: Angela Kalenbach