
Schönes und Schräges: Stöbern bei Stilbruch in Hamburg
Stilbruch ist Hamburgs Secondhand-Kaufhaus. Hier bekommt ihr alles: Möbel, Bilder, Geschirr, Klamotten und allerlei Kurioses. Eine Schnuppertour durchs Sammler- und Schnäppchenjäger-Paradies.
Meine Ausbeute ist beachtlich. Ein wunderschöner, weißer Porzellankrug mit güldenem Rand. Vier kleine Gläser, die aussehen, als wären sie aus kleinen Glassplitterchen zusammengesetzt. Sechs dünne Armreifen, die lustig am Gelenk klimpern. Ein Stapel Bücher. Und eine Rotlichtlampe, wie meine Eltern sie auch früher hatten und vor die ich immer gesetzt wurde, wenn ich erkältet war – fast freue ich mich auf die nächste Nasennebenhöhlenentzündung. Alles zusammen hat nicht einmal 15 Euro gekostet. Was ich nicht mitnehme, aber gerne gehabt hätte: die herrliche Kommode aus massivem, blank poliertem Kirschholz mit vier großen Schubfächern für 59 Euro, in der ich die ganze Bettwäsche und Handtücher unterbringen könnte, die jetzt meinen Schrank blockieren. Und das Blumen-Gemälde, das perfekt darüber passen würde. Einen der Plattenspieler. Und den großen Holzschrank, der meinen Fernseher schlucken würde. Ich hätte mit einem Transporter kommen sollen. Und nicht mit dem Fahrrad. Dabei wollte ich doch eigentlich nur mal gucken.
Bei Stilbruch Hamburg gibt's Schnäppchen und Schönes
"Es kommt selten vor, dass hier jemand mit leeren Händen geht", sagt Fabian Schwabe. Er ist der Filialleiter von Stilbruch in Altona, einem Tochterunternehmen der Stadtreinigung, in der Secondhand-Waren verkauft werden. Hier gibt es einfach alles: Möbel, Geschirr, Elektrogeräte, Bilder und andere Dekoartikel, Bücher, Klamotten, Spiel- und Sportzeug, Lampen. Dazu allerlei kurioses Zeug – wer hätte beispielsweise nicht gerne eine mannshohe Vase oder eine Kombi aus Mini-Whiskeyfass mit passenden Gläsern? Einen Halter für einen ganzen Parmaschinken für den abendlichen Snack?
Aus dem Sperrmüll Gerettetes bekommt bei Stilbruch ein zweites Leben
All die schönen oder schrägen – manchmal auch scheußlichen – Dinge, die es hier zu kaufen gibt, stammen quasi aus dem Müll. Manchmal wortwörtlich: Die Mitarbeiter der Stadtreinigung haben sie aus dem Sperrmüll gerettet, der entweder an den Recyclinghöfen abgegeben oder direkt bei den Haushalten abgeholt wird. "Jeden Tag bekommen wir hier fünf oder sechs Lkw-Ladungen angeliefert", sagt Schwabe. Dazu kommen Dinge aus Haushaltsauflösungen, die die Stadtreinigung vornimmt, sowie private Spenden – auch ihr könnt Dinge, die noch gut sind, aber nicht mehr gebraucht werden, zu den Öffnungszeiten dort abgeben.
Hier gibt's täglich Neues zu entdecken
Das bedeutet: Bei Stilbruch Hamburg gibt es jeden Tag etwas Neues zu entdecken. Dinge, die ihr schon immer mal haben wolltet. Oder auch solche, von denen ihr nicht geahnt habt, dass ihr sie eigentlich dringend braucht. "Manche Sachen sind kaum hingestellt, da sind sie schon wieder weg", sagt der Filialleiter. Anderes bleibt natürlich länger liegen – nach einigen Wochen werden diese Sachen dann entsorgt.

Bei Stilbruch könnt ihr auch Raritäten ergattern
Es lohnt sich also, regelmäßig vorbeizuschauen und zu stöbern. Das tun hier viele: Ich sehe beispielsweise Studenten und Familien, die nach günstigen Möbeln gucken. Manche suchen etwas ganz Bestimmtes – eine Lampe, einen neuen Esstisch, ein Sofa. Andere sind ganz eindeutig auf der Jagd nach Kostbarkeiten zum Schnäppchenpreis. Zum Beispiel das ältere, intellektuell wirkende Paar, das eindeutig aus sehr guten Verhältnissen kommt und kritisch die Kommoden begutachtet. Oder die Dame mit nerdy Hornbrille, die sich durch die hunderte von Gemälden wühlt. Wer weiß, vielleicht ist ja wirklich eine Rarität darunter? "Das kann durchaus sein", erklärt Filialleiter Schwab. "Wir haben natürlich unsere Experten, die die Stücke alle durchsehen und einschätzen können, was die Sachen wert sind. Einen Rembrandt werden Sie hier nicht finden. Aber es ist schon möglich, dass da mal ein Gemälde eines namhafteren Künstlers dabei ist, den wir hier nicht erkannt haben."

Die Elektrogeräte werden bei Stilbruch Hamburg geprüft
Keine Überraschungen werdet ihr übrigens bei den Elektrogeräten erleben – zumindest keine unangenehme. "Die Geräte werden alle hier bei uns in der Elektrowerkstatt überprüft und gegebenfalls repariert", sagt Schwabe. "Was in den Laden kommt, ist funktionsfähig und sicher, das erkennen Sie an der Prüfplakette." Repariert werden aber nur kleine Mängel; defekte Geräte, deren Reparatur aufwändig wäre, braucht ihr also nicht bei Stilbruch abzugeben.
Möbel werden in der Stilbruch-Tischlerwerkstatt aufpoliert
Gleiches gilt für die Möbel: In der hauseigenen Tischlerwerkstatt werden kleine Blessuren ausgebessert. "Wir machen aber nichts Großes, beispielsweise neue Polster oder ähnliches." Wieviel Arbeitszeit investiert wird, hänge vom zu erwartenden Erlös ab: An einem Biedermeiersekretär wird mehr gemacht als an einem Schreibtisch von Ikea. Schließlich muss sich das Ganze unterm Strich auch lohnen.

Bei Stilbruch Hamburg sind alle Gewinner
Denn das ist das Wunderbare am Stilbruch-Konzept: Es gibt nur Gewinner. Die Stadtreinigung, die dadurch einen Erlös erzielt und damit unter anderem die sogenannte schonende Sperrmüllabfuhr finanziert. Dann gibt es euch, die ihr wirklich schöne Liebhaberstücke oder auch dringend Benötigtes für kleines Geld ergattern könnt. Und es gibt all die Dinge, die ein zweites Leben geschenkt bekommen statt verschrottet zu werden. Ist das nicht schön?
Infos: Stilbruch Altona, Ruhrstraße 51, 22761 Hamburg | weitere Filialen in Wandsbek und Harburg
Hier könnt ihr Ausgemistetes spenden
Ihr könnt nicht nur stöbern, sondern auch spenden. Mistet doch mal wieder eure Wohnung aus! Stilbruch ist übrigens nicht die einzige Adresse, bei der eure Spenden sehr willkommen sind. Auch Hilfsorganisationen wie Hanseatic Help freuen sich. Guckt mal hier: 5 Ideen, wo ihr aussortierte Sachen loswerden könnt. Und wenn ihr auf Schnäppchenjagd gehen wollt, ist die Hanseatische Materialverwaltung auch eine lohnende Adresse – das ist Hamburgs wohl verrückteste Fundgrube für skurille Dinge.
Unsere Texte, Tipps und Empfehlungen richten sich an alle, die sich für Hamburg interessieren. Deshalb bemühen wir uns um genderneutrale Formulierungen. Nutzen wir die männliche Form, dient dies allein dem Lesefluss. Wir denken aber stets Menschen aller Geschlechter mit.