
Mehr als nur Klamauk: die Klinik-Clowns Hamburg
Damit Kinder ihre Krankheit für einen Augenblick vergessen können, sind Klinik-Clowns für die kleinen Patienten da – auch in stillen Momenten. Ein Besuch im Altonaer Kinderkrankenhaus.
Yusuf ist sofort Feuer und Flamme. Dabei haben Pépe und Edwina gerade mal die Tür geöffnet. "Dürfen wir reinkommen?", fragen die zwei Klinik-Clowns den strahlenden Dreijährigen mit dem Gips am Fuß. Aber hallo, und wie sie das dürfen! Yusuf kniet erwartungsfreudig auf seinem Bett und empfängt sie mit großen Augen. "Kannst du zaubern?", fragt Edwina, nachdem sie sich vorgestellt haben. Klar, kann er, sagt er, und soll zum Beweis seine "Zauberpuste" in ihre Hand pusten. Yusuf pustet, dann entfaltet der Zauber seine Wirkung: Edwina lässt die rote Clownsnase, die sie eben noch in der Hand hatte, verschwinden und wieder hinter seinem Ohr auftauchen. Jetzt ist er so richtig neugierig und will auch Nasen verschwinden lassen. Er wirft die roten Bälle, die Edwina ihm reicht, durch das Zimmer, Pépe schmeißt gleich ein paar hinterher. "Wow, du hast ja magische Kräfte! Es regnet Tomaten!", sagt der Clown. Und dann wiederum, dann genießt Yusuf einfach nur die Spielereien der Clowns und staunt – "Boooooooooaaaah!" – als Pépe und Edwina riesige Seifenblasen machen, die der Junge vor seinen Augen platzen lässt. "Jetzt musst du dich nicht mehr waschen, so viel Seife wie du im Gesicht hast", sagt Pépe.
Das Wichtigste: Das Kind muss die Magie selbst vollziehen
Yusuf ist ein dankbarer Patient für die Clowns an diesem Mittwoch auf der chirurgischen Station des Altonaer Kinderkrankenhauses. Er spielt mit, bringt eigene Ideen ein, ist begeisterungsfähig. "Das Wichtigste ist, dass das Kind die Magie selbst vollzieht, damit es an die Kraft in sich glaubt", erklärt Edwina hinterher, nachdem sich die beiden Clowns von Yusuf verabschiedet haben (allerdings nicht, ohne noch etwas von seiner "Zauberpuste" für die anderen Kinder mitgenommen zu haben).
Die Klinik-Clowns Hamburg gibt es seit 2002
Pépe und Edwina heißen eigentlich Jannik Nowak und Nicole Knapp. Das Clowns-Duo gehört zum Verein Klinik-Clowns Hamburg, der 2002 gegründet wurde und seit 2011 Mitglied im Dachverband "Clowns in Medizin und Pflege Deutschland e.V." ist. "In den belastenden Situationen, in denen sich die kleinen Patienten befinden, ist der Besuch der Klinik-Clowns eine wertvolle Auszeit. Sie ermöglichen es ihnen, einmal unbeschwert Kind zu sein. Die Krankheit tritt in den Hintergrund", erklärt der Zweite Vorsitzende von Klinik-Clowns, Heinz-Gerhard Wilkens, den Kerngedanken des Vereins, der aus rund 50 aktiven, ordentlichen und fördernden Mitgliedern besteht und sich allein durch Spenden finanziert.
Weiterbildungen und Supervisionen sind Pflicht
Die 17 tätigen Klinik-Clowns Hamburg haben ihre Einsätze immer im Duo. Sie kommen regelmäßig, unterliegen der Schweigepflicht, halten die Hygieneregeln der Einsatzorte ein und werden bei der Übergabe im Stationszimmer zu Beginn eines Einsatzes darüber informiert, was sie bei den einzelnen Patienten beachten müssen. Einmal im Monat gehen sie zu einem verbindlichen Trainingstag, um ihr Repertoire ständig zu erweitern. Hinzu kommen mindestens zwei Weiterbildungen im Jahr, die über den Verein finanziert werden, sowie Coachings und Supervisionen, um eine hohe Qualität der Arbeit in diesem sensiblen Bereich zu gewährleisten.
2018: rund 1500 Einsätze in verschiedenen Krankenhäusern
Die Clowns gehen in der Regel zu festgelegten Zeiten in "ihre" Krankenhäuser und Seniorenheime, immer auf die gleichen Stationen. So werden Regelmäßigkeit und Verlässlichkeit sowohl für die Klinik-Clowns als auch für die Einrichtungen gewährleistet. Im Jahr 2018 hatten die damals noch 16 Hamburger Clowns rund 1.500 Einsätze an verschiedenen Orten – in der Kinderonkologie im UKE, dem Kinderschutzhaus Mattisburg, im Pflegewohnheim Max-Brauer-Haus oder dem BG Unfallkrankenhaus Boberg.
Eine spezielle, knapp einjährige Ausbildung
Jannik Nowak und Nicole Knapp alias Pépe und Edwina arbeiten seit zwei Jahren als festes Duo zusammen, jeden zweiten Mittwoch sind sie im Altonaer Kinderkrankenhaus. Für ihre Einsätze, die eines besonderen Feingefühls bedürfen, haben sie eine spezielle, knapp einjährige Ausbildung als Klinik-Clowns durchlaufen. Ein Ehrenamtlicher, der sich einfach nur eine rote Nase aufsetzt und herumalbert, wäre für diesen Beruf denkbar ungeeignet. Denn entgegen aller Klischees: Die Klinik-Clowns sind keine Slapstick-Spaßmacher oder Zirkus-Clowns.
"Manchmal müssen wir auch einfach nur eine Hand halten"
Der Unterschied macht sich schon in der körperlichen Erscheinung bemerkbar: Die Klinik-Clowns sind bunt, aber vergleichsweise dezent gekleidet, zumindest verschwinden sie nicht hinter eine Maske aus Schminke. Der Mensch im Kostüm muss immer sichtbar sein. Auch die Herangehensweise ist eine andere: "Der wichtigste Punkt ist, dass der Spielimpuls immer vom Gegenüber ausgeht", erklärt Jannik Nowak. "Ein Clown wird immer mit Lachen verbunden, bei uns ist aber auch ganz oft Ruhe gefragt. Ein Spiel muss nicht auf Biegen und Brechen im Lachen münden – manchmal müssen wir auch einfach nur eine Hand halten. Und wir lassen uns auch gerne rausschmeißen", so der 34-Jährige.
Die Clowns als Gesprächspartner
In der Klinik-Ausbildung wird diese Herangehensweise "Das Zimmer lesen" genannt. Die jeweilige Stimmung des Kindes muss ernstgenommen werden. Denn bei aller Albernheit muss der Klinik-Clown stets die Kontrolle bewahren, damit der sensible Raum nicht verletzt wird – was eigentlich dem Wesen des Clowns zuwider ist, wie Nowak erklärt. Denn er kann dem Kind mehr als ein Unterhalter sein. "Ein Clown kann auch ernste Themen wie die Krankheit des Kindes besser ansprechen als ein Arzt oder vielleicht auch die Eltern – dann ist der Clown dem Kind ein Verbündeter", sagt Nowak.
Wichtig ist die Körpersprache
Für Nicole Knapp war so auch der schönste Moment mit Yusuf nicht einer der albernen. "Es gab einen schönen Moment der Ruhe und der Konzentration, als Yusuf gebannt gewartet hat", resümiert sie. "In so einem Moment wissen wir nicht, wie es weitergeht – was besonders spannend ist. Dann warten wir auf einen Impuls, auf den wir eingehen können", so die 46-Jährige. Eine Improvisationsarbeit, die oftmals über Körpersprache verläuft. "Man kann über Karate reden oder Karate machen. Wenn wir unsere Sprache reduzieren und mehr über den Körper arbeiten, erreichen wir mehr", sagt Jannik Nowak. Gerade schüchterne Kinder kämen so schneller aus sich heraus.

Gemeinsam singen
Das zeigt sich beispielhaft, als das Duo Nelab besucht. Das siebenjährige Mädchen lächelt schüchtern, als die beiden Clowns hereinkommen. "Wollen wir ein Lied singen, Nelab?", fragt Nowak, jetzt wieder als Pépe, nach einer Weile. Ja, will sie, und zeigt auf Pépes Ukulele. "Das Ding hier? Ist das nicht eine Kamera?", entgegnet er gestikulierend. "Nein!" – "Ein Golfschläger?" – "Neeeein!" – "Ein Fernrohr?" – "Neein!" – "Ein Gewehr?" – "Neein!". Das geht noch rund zehn Mal so weiter, jedes Mal lacht Nelab lauter, wobei ihre Zahnlücke zum Vorschein kommt. Beim letzten Mal lacht sie schließlich so laut, als hätte sie gerade den Witz des Jahrtausends gehört – und zeigt dem Clown schließlich, wie man eine Ukulele richtig benutzt. "Man muss mir Sachen immer drei oder vier Mal erklären. Aber wow, du bist ja ein schlaues Mädchen: Du hast mir Gitarre-Spielen beigebracht. Wir sollten eine Band gründen!", sagt Pépe. Nelab lächelt geschmeichelt, dann singen alle zusammen "Pippi Langstrumpf".
Teenager sind eine besondere Herausforderung
Die Albernheiten sind durchdachter, als der erste Anblick vermuten lässt. "Es ist gut für ihr Selbstvertrauen, wenn die Kinder sich schlauer und stärker fühlen. Der Clown muss immer der dümmere sein", erklärt Jannik Nowak. Klar, kleinere Kinder sind leicht zu begeistern. Klappt das auch bei Jugendlichen? Pépe ist ein bisschen aufgeregt, als sie an der Tür von Mats, 14, und Bennie*, 15, klopfen. "Teenager für sich zu gewinnen ist immer eine Herausforderung", sagt er. Bennies Kumpel Lennart* ist zu Besuch, die drei lächeln ein bisschen skeptisch, nach dem Motto: Sind wir nicht ein bisschen zu alt für so etwas?
Miez und Miau
Pépe weiß das und greift die Stimmung auf: "Was machst du denn hier? Bist du nicht ein bisschen zu alt für ein Kinderkrankenhaus?", sagt er zu Mats. Edwina springt ein: "Wenn ihr keinen Bock mehr auf uns habt, ruft einfach 'Miez', das ist unser Codewort." Die Jungs lachen und werfen sich Blicke zu, als müssten sie abstimmen, ob sie das lustig finden dürfen. "Und wenn ihr keinen Bock mehr auf ihn habt", sagt sie und zeigt auf Lennart, "dann ruft einfach 'Miau'!". Wie er denn heiße? Horst? Heinz-Werner? Kevin? Die Albernheiten ziehen bei den Jungs, auch wenn sie es nicht so ganz zugeben wollen und besonders Lennart ein bisschen erschöpft ist. Als Pépe ein Porträt von Bennie auf einen Luftballon malt – inklusive Koteletten und dünnem Schnauzbart – hat er die Jungs längst auf seiner Seite. "Ja, genau so sieht er aus", ruft Lennart höhnisch lachend, Bennie stimmt selbstironisch zu. "Ich sollte Luftballonporträtzeichner werden", sagt Pépe.
Manchmal darf es auch ein Flachwitz sein
Später auf dem Flur kommt Lennart aus der Tür. "Oha, haben sie miaut und dich rausgeschmissen?", fragt Edwina. "Ich hab zum Trost einen Witz für dich: Wo wohnt die Katze?" – "Keine Ahnung." – "Im Miezhaus". "Oh Gott, ist der schlecht", sagt Lennart und schlägt sich schmunzelnd die Hand vor die Stirn. Einen Flachwitz hat er aber auch am Start: "Was stinkt und wächst in der Erde?" – Dramatische Pause – "Eine Furzel." Dann muss er weiterziehen. Genau wie Pepe und Edwina, die noch heute noch viele Zimmer mehr besuchen während ihres dreistündigen Einsatzes.
Infos: Klink Clowns Hamburg
Autor: Ulrich Thiele
* Namen von der Redaktion geändert
Gutes tun: tolle Hamburger soziale Projekte und Vereine
Ebenfalls ein tolles soziales Projekt für Kinder ist der Hamburger Bücherkoffer, der mit dem Deutschen Integrationspreis ausgezeichnet wurde. Wollt ihr euch vielleicht auch selbst engagieren? Guckt mal hier: In diesen gemeinnützigen Vereinen könnt ihr ehrenamtlich tätig werden.
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