
"Lessingtage 2019" im Thalia Theater: Erhebt eure Stimme!
Zum zehnten Mal findet vom 18.1. bis zum 3.2. 2019 am Thalia Theater das internationale Festival für eine offene Gesellschaft statt und vereint die unterschiedlichsten Stimmen. Wie das auf der Bühne aussieht, erzählt Chefdramaturgin Julia Lochte.
Julia Lochte, das Motto der Lessingtage 2019 ist "Hear Wor(l)d!". Was bedeutet das?Der Titel ist aus dem Namen eines zentralen Gastspiels entwickelt, "Hear Word! Naija Woman Talk True", in dem Schauspielerinnen aus Nigeria erzählen, was die Frauen in ihrer Heimat bewegt. Wir haben daraus "Hört der Welt zu!" gemacht. Wir wollen die Vielstimmigkeit zulassen, auch Stimmen, die sonst nicht gehört werden. Das ganze Festival ist ein Plädoyer für die offene Gesellschaft, entgegen der Ausgrenzungsmechanismen, die leider überall entstehen. Das Theater entwickelt eine große Kraft, wenn es so viele Stimmen aus den verschiedensten Ländern versammelt. Die Stücke erheben eine Stimme, um auf ein bestimmtes Thema aufmerksam zu machen? Ja, oder sie sind in sich selbst schon vielstimmig. Das russische Gastspiel "Who is Happy in Russia" ist eine der großen Inszenierungen von Kirill Serebrennikov, der im Moment mundtot gemacht werden soll. Er befindet sich gerade in einem Prozess und steht schon lange unter Hausarrest. Trotzdem arbeitet er unter schwierigsten Bedingungen, kommuniziert nur über seine Anwälte. Aber sein Gogol Center in Moskau spielt weiterhin. Deshalb ist es so wichtig, dass das Stück auch außerhalb von Russland gezeigt wird. Ebenso haben wir zwei Exil-Ensembles eingeladen. Collective Ma'louba mit syrischen Geflüchteten, die hier in Deutschland leben, reden über ihre Exil-Situation, und das Exil-Ensemble vom Maxim Gorki Theater Berlin zeigt die "Hamletmaschine" von Heiner Müller.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die postkoloniale Emanzipation …Der Postkolonialismus ist ja generell ein Thema. Wir zeigen zwei Stücke aus Afrika. Es ist uns wichtig, die Menschen, die es direkt betrifft, über sich und ihre Emanzipationsgeschichte sprechen zu lassen und ihnen Gehör zu verschaffen.
Lessingtage 2019: Für Toleranz und eine offene Gesellschaft
Worauf habt ihr bei der Auswahl der Produktionen geachtet? Joachim Lux, Emilia Heinrich und ich kuratieren gemeinsam die Lessingtage 2019. Mindestens einer von uns hat die Produktion gesehen, die in Frage kommt und dann besprechen wir uns. So entsteht ein Programm, das natürlich immer in Gedenken an Lessing mit einer offenen Gesellschaft und dem Toleranzgedanken zu tun hat.
Was muss ein Stück mitbringen, damit ihr euch dafür entscheidet?Sie dürfen sehr unterschiedlich sein. In der Gaußstraße zeigen wir zum Beispiel eine Tanztheater-Truppe aus dem Libanon, die das Stück "#minaret" über die Zerstörung von Aleppo auf die Bühne bringt. Es zeigt, mit welchen anderen Mitteln als denen des Sprechtheaters künstlerische Formulierungen entstehen können. Beirut stellen wir, neben Hamburg und New York, auch auf der Langen Nacht der Weltreligionen vor. Der Abend dreht sich um das Zusammenleben der verschiedenen Religionen in der Stadt. Dazu wird die deutsch-amerikanische Autorin Deborah Feldman kommen, die in ihrem Buch "Unorthodox" erzählt, wie sie in der ultraorthodoxen jüdischen Glaubensgemeinschaft der Satmarer im New Yorker Stadtteil Williamsburg aufgewachsen ist. Weitere Infos findet ihr auf der Internetseite vom Thalia Theater.
Mehr Theater auf Hamburgs Bühnen
Von den Brettern der größten Bühnen bis zum kleinen Podesten der Kleinkunst: Hamburg hat nicht nur die Lessingtage, sondern in Sachen Theater eine ganze Menge zu bieten. Weil vor allem die kleinen Bühnen immer wieder einen Besuch wert sind, solltet ihr euch unbedingt eine Vorstellung in diesen versteckten Theatern anschauen. Ein weiterer Tipp gefällig? Eines der bekanntesten und schönsten Theater Hamburgs ist das Schmidts Tivoli direkt an der Reeperbahn, Geburtsstätte von Klassikern wie "Heiße Ecke" oder "Die Königs vom Kiez". Wir wünschen euch viel Spaß!