
kiekmo Stadtteilspaziergang: Auf den Spuren Rothenburgsorts
Bewegung an der frischen Luft in allen Ehren, aber mittlerweile wirds langweilig im eigenen Stadtteil? Da helfen wir: In unserer Serie nehmen euch unsere Redakteurinnen mit durch ihre Viertel.
Distanz: rund 7 Kilometer | Wegzeit: etwa 2 Stunden (ohne Pausen) | Highlights: geschichtliche Spurensuche und Kaffee auf dem Wasser
Ich neige dazu, meine Freunde zu mir auf die Südseite der Elbe zu locken. Wobei Rothenburgsort ja gerade noch so zum "richtigen" Hamburg gehört, wie die Hanseaten sagen. Wie dem auch sei. Da wundert es nicht, dass die meisten Spaziergänge an der U/S Elbbrücken beginnen – der optimale Treffpunkt, um alle möglichen Stadtteile zu erkunden. Denn hier laufen Hammerbrook, HafenCity, Kleiner Grasbrook und eben Rothenburgsort zusammen. Und genau solche Orte finde ich spannend: Zwischenorte, die nirgendwo so richtig dazuzugehören scheinen.

Auf Kräne klettern: Check
Zuerst gehts zum alten Löschkran auf der Landzunge unweit der Station – ein toller Lost Place in Hamburg, von dem aus man gen City blicken kann. Ja, wir sind drauf geklettert. Nein, wir wissen nicht, ob man das wirklich tun sollte. Können diesen Punkt jetzt aber auf unserer Bucket-List für Hamburg abhaken. Bei grauem Winterwetter präsentiert sich die Hamburger Skyline zwar weniger romantisch als bei sommerlichen Sonnenuntergängen – dann brennt hier der Himmel, lasst es euch gesagt sein – aber der Anblick ist trotzdem nicht zu verachten.

Hier rollt so einiges
Weiter gehts, ein Stück die Fahrradstraße Richtung Großmarkt entlang. Die von immer neuen Graffiti strotzenden Betonmauern bieten bei jedem Besuch einen anderen Anblick – lohnt sich also, die Lieblingswerke zu dokumentieren. Am Skate Spot unter den Bahnbrücken halten wir kurz inne und beobachten ein paar coole Tricks, bevor wir, anstatt der Elbpromenade weiter zu folgen, nach rechts abbiegen. Schließlich wollen wir ja im Stadtteil bleiben.

Nach wenigen Metern tut sich eine echte Perle vor unseren Augen auf – absoluter Retro-Alarm! Die Oldtimer-Prüfstelle Brandshof ist, wenn auch bei Besitzern der alten Karosserien ein beliebter Treffpunkt, immer noch ein ziemlicher Geheimtipp. Für einige Momente erkunden wir den Ort, der ein fast vollständig im Original erhaltenes Relikt seiner Zeit ist, und schwelgen in Fantasien über das hiesige Leben in den Fünfzigern.

In Rothenburgsort muss man genau hinschauen
Dann treten wir den Weg ins Wohnviertel an. An der Billhorner Brückenstraße werden unsere Herzen etwas schwer. Denn vor unserem Besuch haben wir uns über den Stadtteil schlau gelesen – und Bilder gesehen, wie es hier einmal aussah. Um Rudimente der schmucken Kaufmannsvillen und verzierten Bauten zu entdecken, muss man ganz genau hinschauen – in Hauseingänge und Seitenstraßen etwa. Denn von ihnen gibts seit dem Feuersturm 1943 kaum noch eine Spur. Triste Zweckarchitektur regiert stattdessen das Bild des einst florierenden und für Hamburg wichtigen Industriestandorts, der nach dem Krieg zu einem der ärmsten Stadtteile der Hansestadt heruntergekommen ist. Wirklich traurig.

Ein paar Zeugen der alten Zeiten gibt es aber noch und die wollen wir besuchen. Daher führt uns unser Weg zunächst zur Kirche St. Thomas, die zwischen 1883 und 1885 gebaut wurde. Allerdings stammt der heutige Bau aus Nachkriegszeiten – denn auch die ursprüngliche Kirche fiel wie fast der gesamte Stadtteil den Bombardements zum Opfer. Standhaft geblieben ist wie durch ein Wunder jedoch der Wasserturm aus dem Jahre 1848. Erklimmen können wir ihn leider nicht – und auch nicht ganz nah ran, denn er steht auf dem Privatgelände von Hamburg Wasser. Eindrucksvoll ist er trotzdem, wie er so seit rund zwei Jahrhunderten über den Stadtteil wacht.

Auf den Spuren des Industriehafens
Wir biegen um die Kurve und schlendern am Ufer der Billwerder Bucht entlang – und hätten, obwohl wir um die Vergangenheit des Viertels wissen, gar nicht mit dem Anblick gerechnet, der sich uns bietet. Denn hier liegen etliche Boote in Nähe eines erhaltenen Industriegebäudes an, das uns ins Schwärmen bringt und Möwen versammeln sich auf den Brücken zu den Docks. Die ganze Szenerie hat echtes Hamburger Hafen-Flair. Ein Stückchen altes Rothenburgsort scheint hier also erhalten zu sein. Hach.

Apropos alte Industrie. Eigentlich sind wir vor allem hier, um die Elbinsel Kaltehofe zu besichtigen, ein echtes Industriedenkmal. Also gehts über das Sperrwerk und einige Minuten den Kaltehofer Hauptdeich entlang. Schön hier, ruhig und direkt am Wasser. Und dann das alte Wasserwerk erst! An der Villa und den kleinen Schieberhäuschen, die uns in der Zeit zurückwerfen, können wir uns kaum sattsehen.

Muss sein: Ein Kaffee im Entenwerder1
Dem Deich könnten wir jetzt bis zur Dove-Elbe-Mündung nach Moorfleet folgen – machen wir aber nicht. Denn langsam machen sich Kaffeedurst und Hüngerchen breit. Also schlagen wir die Kehrtwende ein und biegen, wieder am Sperrwerk angekommen, nach links ab. Ziel: Entenwerder1! Denn das schwimmende Café mit dem goldenen Pavillon sollte bei keinem Rothenburgsort-Besuch auf der Strecke bleiben. Hier genehmigen wir uns Heißgetränke und ein Stück köstlichen Kuchen - mmh! Dazu der Blick über die Elbe – einfach immer wieder schön hier.

So gestärkt treten wir ganz entspannt den Rückweg durch den Elbpark Entenwerder an. An den Tennisplätzen – auch die hätten wir hier eher nicht erwartet – betreten wir wieder die Wohnsiedlung. Rothenburgsort bleibt uns nach unserer Strecke als zusammengewürfelter und etwas zerrütteter Stadtteil, mit dem es die Geschichte nicht gut gemeint hat, in Erinnerung. Da sind wir gespannt, was die Zeit noch bringen wird, als wir mit Blick auf den futuristischen Bahnhof an den Elbbrücken wieder in die Gegenwart eintauchen.
Ihr wollt noch mehr Inspiration für einen Stadtteilspaziergang in Hamburg?
Dann folgt uns durch andere Teile der Hansestadt! Wie wäre es zum Beispiel mit einem Stadtteilspaziergang durch Eppendorf, bei dem euch Alice die wilden Seiten ihres Viertels zeigt?
Unsere Texte, Tipps und Empfehlungen richten sich an alle, die sich für Hamburg interessieren. Deshalb bemühen wir uns um genderneutrale Formulierungen. Nutzen wir die männliche Form, dient dies allein dem Lesefluss. Wir denken aber stets Menschen aller Geschlechter mit.