
kiekmo Stadtteilspaziergang: Oh, wie schön ist Ottensen!
Bewegung an der frischen Luft in allen Ehren, aber manchmal wirds langweilig im eigenen Stadtteil? Da helfen wir: In unserer Serie nehmen euch unsere Redakteurinnen mit durch ihre Viertel.
Distanz: rund 4,7 Kilometer | Zeit: entspannt mit Pause(n) etwa 1,5 Stunden | Highlights: True Crime, Kaffeekultur und Hühner mitten in der Stadt
Wir beginnen unseren Spaziergang am Bahnhof Altona, den ihr mit S-Bahn und Bussen einfach erreichen könnt. Schön ist es hier nicht, also schnell Kurs nehmen in Richtung Ausgang Ottenser Hauptstraße und schon seid ihr mittendrin im Stadtteil, den seine Bewohner auch liebevoll "das Dorf" oder "Mottenburg" nennen. Die wuselige Ottenser Hauptstraße lassen wir mal links liegen und wenden uns stattdessen nach rechts: Scheel-Plessen-Straße, Hahnenkamp, Hohenesch und Große Rainstraße führen uns zu unserem ersten Ziel, der 1860 erbauten Zeißstraße. Sie ist Hamburgs einzige Straße, die komplett unter Denkmalschutz steht. Wir betreten also ganz schön historisches Pflaster.
Das Hamburg aus einer längst vergangenen Zeit
Info am Rande für alle Hamburger True-Crime-Fans: Ja, hier in der Hausnummer 74 hat der Serienmörder Fritz Honka gewohnt. Wenn ihr eure Dosis Gänsehaut braucht, werft ruhig einen Blick auf das Gebäude, das von außen jedoch ziemlich unscheinbar wirkt. Wir wollen uns eh lieber den angenehmen Dingen in der Zeißstraße widmen – und davon gibt es eine ganze Menge.

Kopfsteinpflaster, kleine Häuschen und dann noch die historische Drahtstiftefabrik Feldtmann, die heute das Stadtteilarchiv Ottensen beheimatet – wo kriegt man das heute noch mitten in der Stadt geboten?! Wagt euch unbedingt in den Innenhof der alten Fabrik (Hausnummer 28) und lasst euch nicht von dem schmalen Durchgang abschrecken. Funfact: Die markanten Häuser mit den drei Türen in der Zeißstraße haben einen eigenen Namen. Die mittlere Tür in den sogenannten Sahlehäusern führt ins Obergeschoss, die anderen beiden sind die Zugänge zu den Wohnungen im Erdgeschoss.

Ottenser Kaffeekultur: Gute Bohnen an jeder Ecke
Genug geschichtsträchtige Luft geschnuppert? Dann habt ihr euch jetzt einen richtig guten Kaffee verdient! Und den bekommt ihr in Ottensen an fast jeder Ecke – wo also anfangen? Zum Beispiel bei Codos am Alma-Wartenberg-Platz. Da kommen wir übrigens sowieso raus, wenn wir am Ende der Zeißstraße nach links auf die Bahrenfelder Straße abbiegen.

Falls die Schlange dort zu lang ist, spaziert einfach ein Stück die Friedensallee hinauf, vorbei an den historischen Zeisehallen, bis ihr Black Delight erreicht. Auf dem Weg dorthin läuft euch wahrscheinlich das Wasser im Mund zusammen, denn ihr kommt an Jö Makrönchen und dem Bonscheladen vorbei. Das bedeutet: Bunte Macarons, Bonbons und Fudge zieren die Schaufenster – könnt ihr der süßen Versuchung widerstehen oder deckt ihr euch mit Zuckerproviant für den weiteren Weg ein? Ein guter Pausenplatz, um ihn zu vernaschen, fällt uns da schon ein …
Pause mit Leute-gucken
Von der Friedensallee geht es links auf die Behringstraße und von dort biegt ihr wieder links auf Am Born ab. Nun laufen wir direkt auf den Kemal-Altun-Platz zu. Wenn ihr möchtet, werft vorher noch einen kurzen Blick in die Erdmannstraße, wo eine sonderbare Skulptur steht, die irgendwas zwischen Donald Trump und Elvis verkörpern soll.

Unser eigentliches Ziel ist aber der Quartiersplatz, der nach einem Studenten benannt ist, der in den 1980er-Jahren aus politischen Gründen aus der Türkei nach Deutschland flüchtete und sich während des Asylverfahrens das Leben nahm. Während am Alma-Wartenberg-Platz in lauen Sommernächten gefühlt eher das Motto "Sehen und gesehen werden" gilt, ist die Stimmung am Kemal-Altun-Platz mehr easy going. Auf dem Spielplatz toben die Lütten, auf den Bänken, dem Rondell und den Steinpyramiden kommen die unterschiedlichsten Zielgruppen für einen Schnack bei Bier, Limo oder Kaffee zusammen. Haltet hier kurz inne, um die entspannte Atmosphäre, die sich durch ganz Ottensen zieht, auf euch wirken zu lassen.

Hört mal, wer da gackert!
Vom Kemal-Altun-Platz müssen wir ein gaaanz kurzes Stück über die Ottenser Hauptstraße. Aber keine Sorge, wir biegen schnell wieder rechts ab in die Rothestraße, eine der pittoreskesten Straßen von Ottensen. Und da kommt auch schon die nächste gute Gelegenheit für Kaffee to go auf uns zu … beim TIDE. Wer noch genügend Koffein intus hat, stöbert alternativ durch das leckere Feinkostsortiment oder beschaut das ausgestellte Treibholz.

Dann geht es weiter die Rothestraße entlang. Wir kreuzen die Eulenstraße und biegen hinter dem Stadtteilzentrum MOTTE in die Mottenburger Hühnertwiete ab, die ihrem Namen alle Ehren macht. Denn in der schmalen Gasse warten etwa 20 Hühner und ein Hahn auf euch, die zur MOTTE gehören. Checkt den Honig- und Eier-Automaten am Zaun aus, vielleicht habt ihr Glück und er ist gerade gefüllt mit Eiern von glücklichen, freilaufenden Hühnern (vier Stück für zwei Euro).

Wenn wir uns an den Hühnern sattgesehen haben (also eigentlich nie!), können wir weiter: zurück auf die Rothestraße, von wo wir gekommen sind. Letzte Chance auf einen weiteren Koffeinkick über einen Schlenker zum El Rojito, dann geht es in die Arnoldstraße.
Straße mit (Jugend)Stil
Willkommen auf dem Schöner-wohnen-Boulevard! Während in der Arnoldstraße noch wundervolle Altbauten mit liebevoll gestalteten urbanen Vorgärten und Bänken vor den Haustüren dominieren, werden die Häuser in der Bernadottestraße immer prächtiger. Jugendstil lässt grüßen! Na, neidisch?! Wir jedes Mal!

Aus dem Bewundern kommt ihr wahrscheinlich auch nicht raus, wenn wir hinter dem Friedhof rechts in die Tönsfeldtstraße abbiegen und auf der Bleickenallee rauskommen. Denn hier gehts weiter mit großen Häusern, breiten Balkonen und schönen Gärten. Dort spazieren wir ein wenig auf dem Fuß- und Radweg in der Mitte (!!) der Straße, was es in Hamburg, ach was, in ganz Deutschland, viel zu selten gibt. Vor der großen Kreuzung Hohenzollernring lohnt sich ein Blick nach rechts. In der Bedürfnisanstalt, die früher genau das einmal war, finden heute wechselnde Ausstellung statt.

AKK steht hier nicht für Politik
Hinter dem Hohenzollernring wird die Bleickenallee immer ruhiger, grüner und es gibt mehr Rotklinker. Das liegt vor allem am AKK. Das hat nichts mit der CDU-Politikerin Annegret Kramp-Karrenbauer zu tun, AKK steht in diesem Fall für das Altonaer Kinderkrankenhaus, das vom Architekten Curt Francke nach dem Vorbild eines norddeutschen Herrenhauses entworfen und 1914 eingeweiht wurde. Weiße Fensterrahmen, verspielte und märchenhafte Motive an der Außenfassade, ein Brunnen und der heute etwas befremdliche verschnörkelte Schriftzug "Säulingsmilchküche" geben dem Gebäude sein charakteristisches Aussehen.

Ausklang in Othmarschen zwischen Schrebergärten und Bubble Waffel
Wir nähern uns jetzt schon der Grenze zu Othmarschen. Es gibt aber einen guten Grund, zum Finale noch einen Abstecher in den benachbarten Stadtteil zu machen. Wir sagen nur: köstliche vegane Bubble Waffeln! Genau, das sind die Dinger, die aussehen, als hätte man Bläschenfolie in den Teig eingebacken. Diese und weitere Leckereien, mit denen ihr euch nach diesem Stadtteilspaziergang belohnen könnt, gibt es im Café Lütt Mööv. Der schönste Weg dorthin: vom Othmarscher Kirchenweg rechts durch die Schrebergärten. Dahinter kommt ihr beim Stiegkamp raus und müsst nur noch die viel befahrene Behringstraße überqueren, um zum Café zu kommen.

Wenn ihr danach nicht denselben Weg zurücklaufen wollt und noch fit seid, empfehlen wir euch die Extended Version unseres Stadtteilspaziergangs: runter zum Elbstrand und dann immer am Wasser entlang. Denn auch das ist eine der schönen Seite an Ottensen: Das Viertel ist so nah am Wasser gebaut, dass man die Schiffe bei der Einfahrt tuten hört.
Psst … diese Orte in Ottensen kennt nicht jeder
Bonuswissen: Auch diese besonderen Orte in Ottensen könnt ihr während eures Stadtteilspaziergangs besuchen.
Unsere Texte, Tipps und Empfehlungen richten sich an alle, die sich für Hamburg interessieren. Deshalb bemühen wir uns um genderneutrale Formulierungen. Nutzen wir die männliche Form, dient dies allein dem Lesefluss. Wir denken aber stets Menschen aller Geschlechter mit.