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Hamburg

Igel in Not? So helft ihr den Vierbeinern über den Winter

Sandra Brajkovic
Sandra Brajkovic

Letzten Herbst kickte ich Laub vor mir her – und einen Igel. Was wir aus dieser Story lernen können und wie ihr den stacheligen Hamburgern helfen könnt, gut über den Winter zu kommen, erfahrt ihr hier.

Das war kein guter Moment im Leben, weder für mich noch den Igel, der unter dem Tritt meiner Stiefelspitze über den Gehweg kullerte. Absicht war das natürlich keine: Ich war gerade auf einem abendlichen Spaziergang, er offenbar auch, unsere Wege kreuzten sich im Dunklen vor der Kirche im Wohlerspark. Der Igel kullert also über den laubbedeckten Gehweg, kommt nach etwa einem Meter zum Stillstand. Ich friemele panisch mein Handy aus der Tasche und leuchte ihm in sein kleines, verwirrtes Igel-Gesicht. Seine Knopfaugen starren ins Leere. Ich tippe ihn sachte an, nichts. Sollten Igel sich nicht einrollen? Ist er tot? War er schon tot? ...HAB ICH IHN GETÖTET?! Der Tierarzt wird eine Antwort wissen. Und so packe ich den kleinen stacheligen Wicht kurzer Hand in meine warme Strickmütze und latsche mit ihm die 2,4 Kilometer bis zur Notfall-Praxis.

Beschämt erzähle ich der Sprechstundenhilfe, dass ich den armen Kerl vor mir hergekickt habe wie einen Fußball. Sie packt ihn auf ein silbernes Tablett und nimmt ihn mit zur Ärztin. Ich nehme derweil im Wartezimmer Platz und google alles, was Igel googeln würden, wenn sie könnten. Was ich herausgefunden habe und mir in der Praxis noch mit auf den Weg gegeben wurde, lest ihr hier.

Überwinterung: Wann brauchen Igel unsere Hilfe?

Igel sind Wildtiere und können als solche wunderbar auf sich selbst aufpassen. Leider machen wir Menschen ihnen aber oft das Igel-Leben schwer. Dann müssen wir ihnen unter die Igel-Ärmchen greifen: Igel sind auf das Laub in unseren Gärten angewiesen. Seid so nett und lasst euer Laub oder eure Laubhaufen liegen. Die Igel freuen sich über diese Überwinterungsstätte. Und lasst um Himmels Willen den Rasenmäher und den Laubbläser im Schuppen. Schaut unters Auto und unter Zäune. Igel landen oft ungewollt in prekären Situationen: Sie verstecken sich unter Autos, was häufig übel ausgeht. Oder sie schlüpfen unter Zäunen durch, entpuppen sich auf halbem Wege aber als zu dick dafür. Igel freuen sich über Wasser. Ein flaches Wasserschälchen im Garten erspart Igeln den einen oder anderen – vielleicht gefährlichen – Weg. Igel mögen Katzenfutter. Wenn ihr einem Igel einen leckeren Snack ausgeben wollt, greift zu Katzennassfutter, gern noch mit einem Löffel Haferflocken angereichert. Hundefutter ist im Zweifel auch ok, wenn auch nicht so eiweißreich. Auch gebratenes Hackfleisch oder Ei (beides ungewürzt) eignet sich zum Füttern, ebenso ein gekochtes Frühstücksei. Vor allem die ausgezehrten Weibchen und Jungigel freuen sich über jedes Gramm, das sie noch mit in den langen Winterschlaf nehmen können. Bitte füttert keine Insekten: Sie übertragen potenziell Parasiten und können geschwächten Tieren zusetzen.

Igel in Not? Die Außentemperatur ist entscheidend. Männliche Igel fallen in den Winterschlaf, wenn es draußen durchgehend fünf Grad Celsius sind. Die Weibchen folgen deutlich später, denn sie müssen sich nach der kräftezehrenden Aufzucht der Jungtiere erst noch Reserven anfuttern. Ist es draußen noch deutlich wärmer, stehen die Chancen gut, dass der Igel prima allein klarkommt. Findet ihr hingegen einen Igel, der reglos im Schnee liegt, braucht dieser eure Hilfe. Kranke, verletzte, apathische und ausgemergelte Tiere gehören zum Tierarzt oder ins Tierheim. Liegt ein Igel reglos auf weiter Flur und rollt sich nicht einmal beim Anfassen ein, muss er zum Arzt. Auch wenn euch der Igel sehr dünn vorkommt, ist ärztlicher Rat wichtig. Jungtiere sollten zum späten Herbst beziehungsweise Wintereinbruch 600 Gramm auf die Waage bringen, erwachsene Tiere rund 1.000 Gramm. Wiegen bringt Gewissheit.

Wer ein Wildtier zum Tierarzt bringt, muss für dessen Behandlung nicht zahlen. Geld sollte für eure Hilfsbereitschaft keine Rolle spielen. Vorsicht, Igel sind häufig von Flöhen und Zecken befallen. Packt sie also nicht, so wie ich, in eure Mütze. Und falls doch: ab in die Kochwäsche damit – also die Mütze, nicht den Igel! Eine Igel-Notunterkunft ist schnell errichtet. Ein Karton mit Laub, ein Wasser- und ein Futterschälchen, schon ist eure Igel-Behausung bezugsfertig. Am besten stellt ihr sie an einen kühlen Ort wie den Keller oder den Geräteschuppen. Bringt den Igel dahin zurück, wo ihr ihn gefunden habt. Egal ob ihr nur einen gemeinsamen Abstecher zum Tierarzt gemacht oder zusammen überwintert habt. Lasst den Igel dort wieder frei, wo er sich auskennt. Es sei denn, ihr habt ihn nahe einer Autobahn gefunden. Dann setzt ihn im Wald ab. Es gibt ein Igel Notfall Telefon. Mehr Infos und die genauen Gesprächszeiten erfahrt ihr hier.

.... Und der Igel aus meiner Story?

Keine Sorge. Der Igel, dem ich versehentlich einen Tritt verpasst habe, ist wohlauf, der war nur etwas durch den Wind. Ihn zum Tierarzt zu bringen war dennoch korrekt – nämlich, weil er sich nicht eingerollt hatte. Damit fing das benebelte Kerlchen aber schon während der Untersuchung wieder an. Innere Blutungen hatte der Arme auch keine. Und sein Abend ging auch besser aus, als er angefangen hatte: nämlich mit einem gemeinsamen Abstecher zum REWE an der Kieler Straße. Da schlenderten wir noch gemeinsam durch die Gänge, suchten zusammen Katzenfutter aus und standen an der Kasse an. Und so gab es, kaum dass ich den Igel zurück in sein gewohntes Revier gebracht hatte, noch ein fulminantes Dinner. Danach wollte er aber – verständlicher Weise – nichts mehr mit mir zu tun haben.

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Nicht nur die Igel haben einen potenziell harten Winter auf sich. Was ihr für Hamburgs Eichhörnchen tun könnt, lest ihr hier.

Unsere Texte, Tipps und Empfehlungen richten sich an alle, die sich für Hamburg interessieren. Deshalb bemühen wir uns um genderneutrale Formulierungen. Nutzen wir die männliche Form, dient dies allein dem Lesefluss. Wir denken aber stets Menschen aller Geschlechter mit.

Quellen zum Text: