
"Chef.One": Zu Gast bei Hamburgs Hobbyköchen
Fremde Küchen, überraschende Menüs und nette Leute - das ist das neue Internet-Gasto-Start-up "Chef.One": Ein Ortsbesuch bei Andi Otto zeigt, wie ein toller Service für einen echt leckeren Abend sorgt.
Klar kann man sich abends beim Italiener um die Ecke mit Freunden treffen – aber wer sich für neue Leute, überraschende Menüs und fremde Wohnungen interessiert, sollte es mal mit Chef.One versuchen. Das Hamburger Internet Start-up bringt auf seiner Plattform ambitionierte Hobbyköche und erlebnishungrige Gäste zusammen. "Risotto bei Otto", der Name könnte glatt als Gastronomie-Konzept durchgehen. Dabei verbirgt sich dahinter nur einer der vielen Gastgeber von Chef.One. Andi Otto, Berufsmusiker und Hobbykoch, lädt zu seinem Lieblingsessen nach St. Georg ein. Für 58 Euro gibt es heute sechs Gänge inklusive sämtlicher Getränke. "Risotto wird total unterschätzt", findet der 36-Jährige. "Die meisten Leute denken da einfach nur an das schlichte Reisgericht. Dabei gibt es unzählige Variationen und Möglichkeiten, diesen besonderen Reis zuzubereiten!"

Beim Betreten der Wohnung steht man sofort im Zentrum guten Essens: in der Küche des Gastgebers. Andi kocht seit er zehn ist und hat einige Jahre in einem italienischen Restaurant am Herd gestanden. Als er über das Goethe Institut einen dreimonatigen Aufenthalt in Kyoto finanziert bekam, packte den Cellisten auch die japanische Küche. In der spielt nicht Risotto, aber auch Reis die erste Geige. Und so kredenzt Andi heute sein ganz persönliches Menü: Sashimi auf Shisoblatt, Auberginen mit weißer Miso und Sesam, im Ofen gebackenes Risotto mit Aubergine und Lachs, Gegrillte Zucchini, Risotto mit Pastinaken, Lammfilet und Sanchopfeffer und zum Abschluss ein Matcha-Himbeer Crisp. Das volle Programm, gerahmt von diversen Weinen, Digestifs und jeder Menge kulinarischen Erzählungen des Gastgebers.
Die Gäste kommen aus unterschiedlichsten Vierteln
Es gibt Crémant zur Begrüßung, der erste Gang Sashimi von Lachs und Jakobsmuschel dekoriert auf japanischem Shisoblatt ist schon aufgetischt. Sechs Genussmenschen haben sich zum Risotto-Abend angemeldet, alle in den 30ern oder ein bisschen drüber. Irena, die einen Strickladen betreibt und Schlagzeuger Manu sind Andis Freunde, aber drei weitere Frauen und ich sehen uns alle zum ersten Mal. Ilka kommt aus dem Komponistenviertel, Katrin aus Uhlenhorst, Kerstin aus St. Georg, ich aus Eimsbüttel. Wir nehmen am gemütlichen Tisch des großen Esszimmers Platz und besprechen erst mal die Vor- und Nachteile unserer Hoods. Dabei genießen wir den wunderbaren Fisch und die hauchdünn geschnittene Jakobsmuschel. Letztere stand zwar gar nicht im Angebot, hatte der Gastgeber aber noch frisch im Kühlschrank – ganz schön großzügig! Andi werden wir erst gegen Ende der sechs Gänge am Tisch sitzen sehen, er hat jetzt zu tun!
"Leute, die ihr halbes Leben auf Facebook posten, sind mir suspekt."
Schon nach kurzer Zeit stellt sich eine Art WG-Gefühl ein – wir haben uns unendlich viel zu erzählen. Klar, weil wir uns nicht kennen, dies aber innerhalb der nächsten Stunden ändern wollen. Ilka arbeitet als Eventmanagerin, Katrin hat sich gerade in Sachen Pharmazie selbständig gemacht, schnell sind wir beim Thema "selbständig versus angestellt". Dann berichtet Kerstin von ihrem Job als Software-Beraterin in Istanbul – und wir erörtern die politische Lage. Kerstin erzählt auch, wie sehr ihr der Alltag in Istanbul trotz der schwierigen politischen Lage gefällt. Erfahrungen aus erster Hand, die man so nicht überall serviert bekommt.

Schließlich landen wir bei der Debatte, wie viel online gut für uns ist. "Leute, die ihr halbes Leben auf Facebook posten, sind mir suspekt", sagt Irena – und alle nicken. Andererseits will niemand mehr auf den Service der vielen Apps in Sachen Reise, Events und Fitness verzichten. "Wir würden doch in dieser Runde nicht zusammensitzen, wenn wir nicht Chef.One gebucht hätten", werfe ich ein. Von online zu offline sozusagen.
Die Algenbrühe ist gewöhnungsbedürftig
Selbstredend kommt das Gespräch im Laufe des Abends immer wieder aufs Essen. Dass hier alle aus der Genussfraktion kommen, sieht man an leeren Tellern und Gläsern, aber mit japanischem Kochen kennt sich nur Andi aus. Er präsentiert uns zwischendurch eine Brühe aus fermentierten Algen, die jedem Essen den spezifischen asiatischen Touch beschert und serviert zu fortgeschrittener Stunde einen gerösteten grünen Tee, der nicht aufputscht. Crémant, Weißwein und Rotwein tragen zu allerhand Gesprächen über Kunst und Andis Musik bei.

"Ob ich jetzt koche oder Musik mache, ist gar nicht so ein großer Unterschied – schließlich geht es bei beidem um die perfekte Komposition!", sagt er. Andis Musik zu erklären wäre ein eigenes Kapitel, denn er spielt ein ganz besonderes Cello, bei dem der Bogen mit Sensoren ausgestattet ist und computergesteuert eigene Musik erzeugt. Elektronische Weltmusik mit Jazz trifft es vielleicht ganz gut.
Irgendwann kommt das Gespräch auf Umami. Umami? Nie gehört! Andi versucht zu erklären. Es sei eine bestimmte Kombination von Konsistenz und Geschmackserlebnis. Auf jeden Fall hat es was mit Aminosäuren in Lebensmitteln zu tun... Ist aber auch nicht so wichtig, denn jetzt trumpft unser Koch nicht nur mit dem Dessert, sondern auch einem Single Malt Whiskey auf. Bemerkenswert: Der kommt nicht aus Schottland, sondern aus Bayern. Und wir Hanseaten sind so weltoffen, dass wir den sofort probieren – köstlich! Es war ein wunderbarer Abend mit tollem Essen, einem großartigen Gastgeber, interessanten Leuten und jeder Menge Inspiration – klare Empfehlung!
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